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Energiesparende Belüftung dank Drehkolbenverdichtern

Kläranlage setzt auf nachhaltiges Energiekonzept

Die Abwasserreinigungsanlage Oberengadin in der Schweiz ist Vorreiter in Sachen Automatisierung, digitaler Zwilling, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Die Kombination aus modernster Technik und einem nachhaltigen Energiekonzept setzt Maßstäbe für die Abwasserbehandlung. Drehkolbenverdichter von Aerzen helfen dabei, Gewässerschutz und Kosteneffizienz in Einklang zu bringen. Der Delta Hybrid gehört zu den effizientesten Aggregaten seiner Klasse und ermöglicht signifikante Energieeinsparungen.

Aerzener Maschinenfabrik GmbH

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Die Kläranlage der Zukunft ist energieeffizient, ressourcenschonend, kompakt und wirtschaftlich. Wie das in der Praxis aussieht, zeigt ein Blick in die Schweiz – genauer gesagt ins Hochtal Oberengadin (Kanton Graubünden). Im kleinen Örtchen S-chanf am Oberlauf des Inn – gut 20 Kilometer nordöstlich von St. Moritz – ist im Juli 2021 eine der modernsten und innovativsten Abwasseraufbereitungsanlagen Europas in Betrieb gegangen. Die Abwasserreinigungsanlage (ARA) Oberengadin wurde nach dem aktuellen Stand der Technik geplant und realisiert – Stichwort digitaler Zwilling – und stellt unter Beweis, dass Ökologie und Ökonomie keine Gegensätze sind. Ganz im Gegenteil. „Nachhaltigkeit ist kein Schlagwort, sondern Wirtschaftlichkeit“, bringt es Betriebsleiter Godi Blaser auf den Punkt. Das Ergebnis ist ein Quantensprung für die Region und eine Blaupause für die Abwasserreinigung der Zukunft.

Die gesamte Prozessführung der ARA Oberengadin erfolgt hochautomatisiert. Dank digitalem Zwilling können Betriebsszenarien bereits im Vorfeld simuliert werden. Bild: AERZEN

Bau einer regionalen ARA Oberengadin

Doch von vorn: Wie kam es überhaupt zu dem Neubau? Ausgangspunkt war eine ungenügende Nitrifikation in den Oberengadiner Kläranlagen Staz in Celerina, Sax in Bever und Furnatsch in S-chanf, wodurch die gewässerschutztechnischen Auflagen nicht mehr erfüllt werden konnten. Die Frage war: Sanierung der drei in den 70er beziehungsweise 80er Jahren erbauten Anlagen oder Zusammenlegung der Kapazitäten in einer neuen regionalen ARA Oberengadin? Nach Durchrechnen beider Szenarien war die Antwort schnell gefunden. Zwar fielen die Investitionskosten bei einem Neubau mit 76,5 Millionen Schweizer Franken höher aus als bei einem Ausbau der drei bestehenden ARAs (52 Millionen Schweizer Franken), die avisierten Betriebskosten jedoch lagen deutlich darunter – 1,9 Millionen versus 2,6 Millionen Schweizer Franken pro Jahr. Geht man von 45 Jahren Betriebszeit aus, ergibt sich eine signifikante Ersparnis.


Modularer Aufbau für maximale Flexibilität

Die ARA Oberengadin wurde auf dem Gelände der alten ARA Furnatsch errichtet und ist für 90.000 Einwohnerwerte (EW) ausgelegt. Damit ist sie wesentlich kleiner als die ARAs Staz, Sax und Furnatsch mit einer Ausbaugröße von insgesamt 114.000 EW. Möglich wurde dies durch den bereits 2009 gebauten Hauptsammelkanal von Samedan bis S-chanf, einer konsequenten Trennung des Meteorwassers (Regen, Schmelzwasser) vom verschmutzten Abwasser sowie optimierter verfahrenstechnischer Prozesse während der touristischen Höchstsaison rund um Weihnachten und Neujahr. Die Anlage ist modular aufgebaut und kann jederzeit auf mehr Einwohnerwerte ausgelegt oder an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Damit ist die ARA Oberengadin auch den starken saisonalen Schwankungen optimal gewachsen: Während in der Höchstsaison Spitzenbelastungen von bis zu 110.000 EW anfallen, entspricht die Schmutzstoffbelastung in der Nebensaison gerade einmal 15.000 EW.

Die ARA Oberengadin verfügt über fünf dynamisch gesteuerte SBR-Reaktoren. Bild: AERZEN

Dank ihres modularen Aufbaus ist die ARA Oberengadin den starken saisonalen Schwankungen optimal gewachsen. Bild: AERZEN

Lebenszykluskosten im Blick

Bei der Wahl der eingesetzten Technologien, Lösungen und Materialien standen in erster Linie die Lebenszykluskosten im Fokus. Das heißt: Es zählten nicht allein die Beschaffungs-, sondern auch die Betriebskosten, also Ausgaben für Strom, Unterhalt, Wartung, Personal und weiteres. Für die Sequencing Batch Reactor-Biologie (SBR), dem Herzstück der Anlage, bedeutete dies: Energieeffizienz und Verfügbarkeit im Service waren zu einem Großteil ausschlaggebend. Besonderes Augenmerk galt dabei dem Belüftungssystem, denn dieses kann zwischen 60 bis 80 Prozent des gesamten Energiebedarfs bei der Abwasseraufbereitung in Anspruch nehmen.


Drehkolbenverdichter für optimale Sauerstoffversorgung

In der ARA Oberengadin sorgen Aerzen-Drehkolbenverdichter vom Typ Delta Hybrid D 52S mit einem maximalen Ansaugvolumen von 40,9m³/min, einer Druckdifferenz von 650mbar und einem Volumenstromregelbereich von über 1:4 für die optimale Sauerstoffversorgung der fünf SBR-Reaktoren – je ein Delta Hybrid pro Becken (Beckenvolumen 2.700m3). Üblich wäre ein weiterer Verdichter als Redundanz. Doch dank der hohen Zuverlässigkeit der Aggregate sowie der Tatsache, dass aufgrund der saisonalen Schwankungen selten alle SBR-Reaktoren gleichzeitig in Betrieb sind, hat die Kläranlage Oberengadin bewusst darauf verzichtet.

Drehkolbenverdichter gehören zu den innovativsten Lösungen der Kompressortechnologie. Sie vereinen die Vorzüge von Gebläse- und Verdichtertechnologie in einem System und zählen bei weitem zu den effizientesten Aggregaten für einen großen Regelbereich von 25 bis 100 Prozent. Dank ihres robusten Aufbaus kommen sie mit den verfahrensbedingt hohen Druckschwankungen der SBR-Technik problemlos zurecht. Zudem sind sie öl- und absorptionsmittelfrei. Das garantiert 100 prozentige Zuverlässigkeit. Zusätzliche Schlitzrohrschalldämpfer ohne Absorptionsmaterial reduzieren den Schallpegel.

Bei der Wahl der eingesetzten Technologien waren in erster Linie die Lebenszykluskosten ausschlaggebend. Bild: AERZEN


Dank ihres modularen Aufbaus ist die ARA Oberengadin den starken saisonalen Schwankungen optimal gewachsen. Bild: AERZEN

Effiziente Technik und zuverlässiger Service

Die ARA Oberengadin wollte alle Prozesse mit dem gleichen Umrichtertyp bauseits abdecken und hat dafür eigens einen extra Partner beauftragt. Daher waren Aggregate ohne Frequenzumrichter gefordert. Für Aerzen kein Problem. Der Gebläse- und Verdichterspezialist bietet hier eine große Flexibilität und kann seine Geräte mit integriertem, separatem oder – wie im vorliegenden Anwendungsfall – ohne Umrichter liefern. Über die Frequenzumrichter erfolgt auch eine Zustandsüberwachung der Gebläse. Drehzahl beziehungsweise Frequenz erlauben Rückschlüsse auf den aktuellen Volumenstrom und damit die tatsächliche Belastung. In Zukunft wird darüber hinaus Predictive Maintenance angestrebt, denn als größte Energieverbraucher sind die Gebläse besonders prädestiniert für eine bedarfsgerechte Wartung. „Ich bin froh, dass wir mit Aerzen-Gebläsetechnik arbeiten. Mit Aerzen haben wir einen Partner, der nicht nur zuverlässige und effiziente Technik mit minimalem Wartungsaufwand liefert, sondern auch einen hervorragenden Service bietet. Wann immer irgendwas sein sollte, können wir uns darauf verlassen, dass Hilfe innerhalb kürzester Zeit zur Stelle ist“, ist Godi Blaser begeistert. Übrigens: Auch im Sandfang werden Aerzen-Aggregate eingesetzt – und zwar zwei robuste Drehkolbengebläse vom Typ Delta Blower. 

Überwachung, Datenauswertung und Prozessoptimierung garantieren maximale Effizienz. Bild: AERZEN

Höhenlagen stellen besondere Anforderungen

Eine Besonderheit ist die Aufstellhöhe von 1.650 Meter über Meer. Aufgrund des niedrigeren Luftdrucks und der dadurch geringeren Luftdichte wird ein höherer Volumenstrom benötigt, um ausreichend Sauerstoffmoleküle in die Belebung zu bekommen. Auch ist das Druckverhältnis größer (im vorliegenden Fall liegt es teilweise bei 2) und ein Motor-Derating muss einkalkuliert werden. Die Folge: In der Höhe braucht es leistungsstärkere Aggregate als auf Meeresspiegelniveau. Vor diesem Hintergrund bekommt das Thema Energieeffizienz noch einmal eine stärkere Relevanz. Die hocheffizienten Delta Hybrid D 52S sind da genau die richtige Wahl, denn dank ihrer technologischen Überlegenheit ermöglichen sie signifikante Energieeinsparungen von bis zu 20 Prozent im Vergleich zu klassischer Gebläsetechnik. Wie hoch das Optimierungspotenzial ist, hängt von der jeweiligen Situation vor Ort ab. Im Bereich der Abwasseraufbereitung bietet Aerzen ein breites Spektrum an zukunftsweisenden Lösungen, berät bei Themen wie Technologieauswahl, Effizienzsteigerung sowie Prozesssicherheit und erarbeitet individuelle Einsparmaßnahmen.

Im Sandfang kommen zwei AERZEN Drehkolbengebläse vom Typ Delta Blower zum Einsatz. Bild: AERZEN

Dynamische Steuerung der SBR-Reaktoren

Die gesamte Prozessführung der ARA Oberengadin erfolgt hochautomatisiert über ein leistungsfähiges Steuerungssystem und ermöglicht dem Betriebspersonal die notwendige Überwachung, Datenauswertung und Prozessoptimierung. Die Steuerung der SBR-Reaktoren wird dynamisch realisiert. Das SBR-Verfahren ist eine Variante des Belebtschlammverfahrens. Im Gegensatz zur konventionellen Methode, bei der alle Reinigungsschritte nacheinander in verschiedenen Becken durchflossen werden, kombiniert das SBR-Verfahren biologische Reinigung und Nachklärung in einem Reaktor. Dadurch ergibt sich eine besonders hohe Flexibilität. Dank der dynamischen Steuerung wird diese voll ausgeschöpft, je nach Zuflussmenge, Schmutzstofffracht, Temperatur etcetera werden die Reinigungsprozesse stufenlos und automatisch angepasst.

AERZEN-Drehkolbenverdichter vom Typ Delta Hybrid D 52S sorgen für die optimale Sauerstoffversorgung der fünf SBR-Reaktoren. Bild: AERZEN

Digitaler Zwilling in der Abwasserwirtschaft

„Uns ist wichtig, dass die Anlagen zuverlässig laufen und wir keine Ausfälle haben. Durch die dynamische Steuerung ist das System in sich so komplex, dass man die Auswirkungen einer Maßnahme nicht unbedingt sofort erkennen kann. Daher setzen wir auf den digitalen Zwilling. Dieser gibt uns die Möglichkeit, Betriebsszenarien bereits im Vorfeld zu simulieren“, macht Godi Blaser deutlich. Lässt sich Prozesszeit gewinnen und/oder Energiekosten senken, indem die Belüftungsphase verkürzt oder der Sauerstoff-Stellwert erhöht wird? Wie wirkt es sich auf den Betrieb aus, wenn ein SBR-Reaktor in der Nebensaison abgeschaltet wird? Welche Einstellungen sind bei Starkregenereignissen sinnvoll? Wie können die Prozesse noch effizienter gestaltet werden? Fragen wie diese lassen sich mit dem digitalen Zwilling beantworten. Im Simulationsmodell können Strategien und Varianten untersucht sowie Prognosen und Handlungsoptionen aufzeigt werden. Die Ergebnisse fließen dann in die dynamische Steuerung ein. „Die Optimierung auf einer Kläranlage ist eine Daueraufgabe. Schließlich wollen wir immer effizienter und besser werden – und müssen das auch, weil sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen regelmäßig ändern. Alle fünf Jahre wird hierzulande das Gewässerschutzgesetz reguliert“, so der ARA-Betriebsleiter.

Bereits in der Planungsphase kam der digitale Zwilling zum Einsatz. So konnte eine optimale Nutzung der Anlage für den Betrieb und folglich die Kosteneffizienz für den Bau und vor allem den späteren Betrieb sichergestellt werden. Auch hinsichtlich Mitarbeiterschulung bietet das dreidimensionale Modell Vorteile.

Die ARA Oberengadin ist eine der modernsten und innovativsten Abwasseraufbereitungsanlagen Europas. Bild: AERZEN

Gewässerschutz und Kosteneffizienz im Einklang 

Moderne Technik in Kombination mit einem nachhaltigen Energiekonzept: Im Oberengadin wurde Geschichte geschrieben. Der digitale Zwilling ist ein Novum in Europas Abwasserwirtschaft – und bereits jetzt so erfolgreich, dass Nachahmer sicherlich nicht lange auf sich warten lassen werden. Godi Blaser betont: „Ziel des digitalen Zwillings ist nicht, die Steuerung zu übernehmen. Der digitale Zwilling ist ein Hilfsmittel und wenn man ihn als solches sieht, ist er sehr wertvoll.“

Sobald sich alle Prozesse eingespielt haben, wird für die ARA Oberengadin ein jährlicher Strombedarf von 1,4GWh veranschlagt, wovon sich 1,2GWh aus dem reinen ARA-Betrieb generieren lassen werden. Das Ziel: 80 Prozent Energieautarkie. Energieeffiziente, zuverlässige und wartungsarme Technik wie die Aerzen-Aggregate leisten dazu einen wesentlichen Beitrag. Übrigens: Rechnet man Fremdprozesse wie die Solaranlage oder die Biogasproduktion aus der angelieferten Molke hinzu, geht es sogar in die Überdeckung.

Autoren


Sebastian Meißler

Marketing AERZEN