MESSUNG – REGELUNG – ANALYSE

Probenahmekorb entdeckt Hotspots

Reifenabrieb in der Umwelt

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Allein in Deutschland fallen 110.000 Tonnen Reifenabrieb im Jahr an. Dieser Abrieb verursacht laut einer Studie des Fraunhofer Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen ein Drittel der gesamten jährlichen Mikroplastik-Emissionen in Deutschland und kann über Niederschläge in die Umwelt gelangen. Forscher der Technischen Universität (TU) Berlin arbeiten daran, die Eintrittspfade dieser Partikel in die aquatische Umwelt zu identifizieren und quantifizieren. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts RAU – Reifenabrieb in der Umwelt haben sie zusammen mit Partnern aus Industrie, Kommune und Forschung dreieinhalb Jahre lang den Verbleib von Reifenpartikeln während der Nutzungsphase von Pneus untersucht. Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines Maßnahmenkatalogs zur Reduzierung des Eintrags an sogenannten Hotspots – Standorten mit besonders hoher Belastung.

Entwicklung ohne Vordaten

Die Vorgabe der Forscher an die technische Weberei GKD lautete, einen Probenahmekorb zu entwickeln, der ohne Veränderung am Schacht in jeden Gully nach DIN-Norm einsetzbar ist. Dieser Korb sollte so ausgelegt sein, dass er den gesamten Volumenstrom eines mittleren Regenereignisses beproben und dabei die Partikel separieren kann. Zudem galt es für GKD, eine flexible, standortgerechte Konfiguration der Siebkaskade und die Integration der erforderlichen Messtechnik zu ermöglichen. Als Lösung schlug GKD eine Siebkaskade aus in der Feststoffanalyse gängigen Siebpfannen vor, die in eine Korbstruktur analog zu gängigen Laubfangkörben integriert wurde. So entstand ein modular konfektionierbarer Korb aus sechs Siebpfannen mit unterschiedlichen Porenöffnungen. „Wir sind anfangs von einem weitaus komplexeren Aufbau des Korbs ausgegangen“, erklärt Daniel Venghaus. Er ergänzt: „Wir dachten an einen Sonderbau mit schräg angeordnetem Gewebe, um eine Umgebung zu schaffen, in der die Partikel einzeln abgespült werden und das Sieb nicht verstopft.“

Die von GKD entwickelte Konstruktion aus Standardelementen überzeugte auch bei der anschließenden Probenfraktionierung: Hierfür wurde die Siebkaskade komplett aus dem Korb entnommen und in einen gängigen Rüttelturm eingesetzt. Aus Sicht von Daniel Venghaus ist dieses System einzigartig, „da es in nur einem Prozessschritt die Fraktionierung nach DIN-Standards ermöglicht.“ Mit der Auslegung des Korbs und der Siebkaskade war jedoch eine besondere Herausforderung für die Engineering- und Filtrationsexperten von GKD verbunden: Sämtliche Vordaten wie Partikelart, -konzentration, -mengen, -größen, -größenverteilung oder -anzahl waren unbekannt. Auch zu Umgebungsbedingungen oder Druckverlust lagen den Entwicklern keine Informationen vor. Mangels dieser Eingangsdaten konnten die Filterexperten nur denkbare Strömungsführungen im Korbbau simulieren und gewebespezifische Durchflussmengen für unterschiedliche Einstauhöhen berechnen. Auf dieser Basis wurde im hauseigenen Filterbau bei GKD ein Prototyp des Probenahmekorbs gebaut direkt in die laufenden Tests von Daniel Venghaus einbezogen. Die eigentliche, auf faktische Messdaten bezogene Entwicklung und kontinuierliche Optimierung erfolgte live am Teststand der TU Berlin und in situ. Für den Einsatz auf der Straße musste aber gewährleistet sein, dass der Korb ausreichend hohen Durchfluss hat, um die Straßensicherheit nicht durch einen überlaufenden Gully zu gefährden.

Erste Tests der Korb-Performance am Teststand

Der Teststand der TU Berlin verfügt über einen Gullyschacht aus Plexiglas. Hier zeigte sich schnell, dass die prinzipielle hydraulische Auslegung des Korbs stimmte. In umfangreichen Tests wurde dort die Korb-Performance im Detail untersucht, um eine erste Festlegung der Gewebeabfolge in der Siebkaskade zu ermöglichen und Schwachstellen in der Konstruktion unter Belastung zu erkennen. Zunächst verhinderten im Korb automatisch entstehende Luftpolster den Durchfluss. In längeren Testreihen entwickelten die Filterexperten von GKD gemeinsam mit den Forschern der TU eine Entlüftung. Dabei zeigte sich, dass nicht nur die Siebpfanne mit dem feinsten Sieb eine seitliche Entlüftung über Lüftungsschläuche aus Silikon benötigte, sondern auch alle anderen Siebpfannen einzeln so entlüftet werden mussten.

Die ursprüngliche Vorgabe der Forscher an der TU sah ein Feinstgewebe mit einer Porengröße kleiner gleich zehn Mikrometer vor. Daniel Venghaus kannte aus dem Vorgängerprojekt OEMP (Optimierte Materialien und Verfahren zur Entfernung von Mikroplastik aus dem Wasserkreislauf) das von GKD in diesem Rahmen entwickelte optimierte Tressengewebe mit einer Porengröße von sechs Mikrometern (OT 6). Im Teststand zeigte sich jedoch schon bei den ersten Kehrichttests, dass diese feine Filterfeinheit im Probenahmekorb relativ schnell verstopfte. Auch eine veränderte Zuführung – schräggestellte Siebe, um Querkräfte zu erzielen – konnte das schnelle Aufstauen auf der Kaskade nicht verhindern. Von außen auf den Siebrahmen aufgebrachte Ultraschall-Schwingungen brachten in Vorversuchen ebenfalls nicht den gewünschten Erfolg. Gegen dieses Verfahren sprach zudem, dass es nicht in einem Standardschacht implementiert werden kann. Um den Durchfluss dennoch zu optimieren, wurde der Einsatz von Optimiertem Tressengewebe mit Porengrößen von 10 und 20 Mikrometern getestet. Am Teststand funktionierten sie gut beziehungsweise sogar sehr gut, bei den anschließenden in situ-Tests bestätigte sich das jedoch nicht. Die hohe Partikelzahl der undefinierten Feststoffe erschwerte es mit zunehmender Feinheit, das Gewebe offen zu halten.

„Das Feinstsieb entscheidet beim Straßenablauf über den gesamten Durchfluss“, erklärt Daniel Venghaus diese Erkenntnis. Den Durchbruch brachte schließlich das parallel von GKD entwickelte innovative dreidimensionale Porometric-Gewebe mit einer Porengröße von 20 Mikrometern: Seine deutlich höhere Schmutzaufnahmekapazität und besseren Durchflusseigenschaften ermöglichten den geforderten reibungslosen Ablauf. Für Daniel Venghaus waren die exzellenten Abreinigungseigenschaften dieses Gewebes ein weiterer wichtiger Vorteil, da es sich bei den abgereinigten Stoffen um sein Probenmaterial handelte. Vor dem ersten Einsatz in situ erfolgten am Teststand der TU jedoch noch drei weitere entscheidende Optimierungen: Die von GKD entwickelte Verbindung vom Probenahmekorb zur angeschlossenen Messtechnik für die Feststoffbeprobung wurde integriert. Außerdem galt es, Undichtigkeiten am Kopf des Korbs an der Abtropfkante zum Betonring sowie bei den O-Ring-Dichtungen der Siebpfannen zu beheben. Durch Tests verschiedener Dichtungsmaterialien identifizierte GKD geeignete Silikondichtungen und installierte sie fachgerecht am Korb. Eine Überarbeitung erfuhr überdies die Spannvorrichtung der Siebpfannen: Mit zusätzlichen Sicherungsstiften wurde ein Abrutschen der Siebkaskade im Schacht verhindert.



Unerwartete Herausforderungen im Praxistest

Beim ersten in situ-Einsatz des so optimierten Prototyps sahen sich die Forscher und Entwickler dennoch mit einem unerwarteten Problem konfrontiert: Der nach DIN-Norm gebaute Probenahmekorb passte nicht in die Gullys. „Das ist Maschinenbau in der Praxis“, erinnert sich Daniel Venghaus. „Die praktische Ausgestaltung der Straßenschächte erfolgt nicht mit Zehntel-Millimeter-Genauigkeit, sondern mit Toleranzen im Zentimeterbereich.“ Für die notwendige universelle Einsetzbarkeit des Probenahmekorbs musste der Siebdurchmesser deshalb von 315 auf 305 Millimeter verringert werden. Außerdem ergänzte GKD den Kopf des Korbs um einen Füllstandsmesser. Er meldet einen drohenden Überlauf und verbessert somit neben der Straßensicherheit auch die Validität der Probenahme.

Die eigentliche Herausforderung bestand für das Team um Daniel Venghaus und GKD jedoch erneut in der Festlegung einer Gewebeabfolge in der Siebkaskade, die den rückstaufreien Durchfluss bei geforderter Fraktionierung gewährleistet. Die undefinierte und sich permanent ändernde Partikelfracht des Straßenablaufs führte dazu, dass die am Teststand ermittelten Filterfeinheiten in der Praxis unerwartet schnell verstopften. Mit dem Einsatz von Porometric-Gewebe gelang hier ein maßgeblicher Fortschritt. Grobe Feststoffe wie Laub führten dennoch regelmäßig zu Verstopfungen, da bereits ein einziges Laubblatt auf dem obersten Sieb eine große Filterfläche blockiert. Auch hier fanden die Filtrationsexperten von GKD schließlich die entscheidende Lösung: Auf jedem Sieb wurde eine plissierte Geweberonde mit jeweils analoger Porengröße platziert. Durch ihre dreidimensionale Struktur dient sie als Vorfilter, der die Grobstoffe zurückhält. Seitdem durchlaufen auch in situ die zu beprobenden Feststoffe die Filterkaskade störungsfrei. Gebildet wird diese Kaskade aus sechs Siebpfannen mit flexibel wählbaren Gewebeöffnungen in den Größen 1.000, 500, 250, 125, 63 und 20 Mikrometer.

Die in situ-Tests ergaben die größte Feststofffracht bei 125 und 63 Mikrometern, weshalb diese Porengrößen zeitweise auch doppelt gewählt wurden. Diese Möglichkeit unterstrich die Bedeutung der Modularität des Systems. Zugleich zeigte sich aber auch, dass die entstehenden Filterkuchen feinere Partikel zurückhalten als per Masche definiert. Daniel Venghaus spricht deshalb auch nicht mehr von einer fraktionierten Probenahme, sondern von einer definierten Feststoffprobenahme. Die eigentliche Fraktionierung der Probe erfolgt anschließend anhand der Siebkaskade auf dem Rüttelturm.

Repräsentativer Randstreifen

An zwölf verschiedenen Messstellen – zehn davon innerstädtisch, zwei außerstädtisch an der Autobahn und am Flughafen – erfolgten die in situ-Probenahmen. Dabei kristallisierten sich Kurven und Ampeln als sogenannte Hotspots mit erhöhtem Aufkommen von Reifenabrieb heraus. Diese Standorte sollen in einem Folgeprojekt noch intensiver untersucht werden. Im Projekt RAU zeigte sich zudem, dass – gemessen ab Bordsteinkante – ein 1,6 Meter breiter Randbereich für die akkumulierten Feststoffe und damit auch für den Reifenabrieb auf der gesamten Straße repräsentativ ist. Grundsätzlich bewährte sich für die Beprobung trockener Proben die Hand-Kehrichtmethode, für nasse Umweltproben ist der Probenahmekorb das Mittel der Wahl.

Die ursprüngliche Idee, den Korb als Filter einzusetzen, erwies sich aufgrund der undefinierten Feststoffmengen und -zusammensetzung in der Praxis allerdings als nicht tragfähig. Dennoch hat der Probenahmekorb aus Sicht von Daniel Venghaus das Projektziel „sehr gut erreicht“. Seine Begründung: „GKD hat es geschafft, die geeigneten Gewebe inklusive Feinstgewebe zu finden und mit Standardronden in einem Standardsiebrahmen zu einer funktionierenden Siebkaskade kombiniert.“ Dadurch ermöglicht der Probenahmekorb, Hotspots für Reifenabrieb zu identifizieren und gezielte Vermeidungsstrategien durch Kombination verschiedener Maßnahmen zu installieren. Besonders gut lassen sich mit dem Probenahmekorb die am häufigsten vorkommenden schwachen Regenereignisse beproben, was mit konventionellen Probenehmern durch den geringen Wasserfluss nur begrenzt funktionierte. Der Korb ermöglicht dies durch den Aufbau eines Filterkuchens, ohne den Abfluss des nachfließenden Wassers zu beeinträchtigen. Bei Starkregen ist dadurch allerdings nur die Beprobung einer ersten Zeitspanne möglich, bevor es zum Überstauen kommt. Daniel Venghaus hält es jedoch für denkbar, dass diese Dauer bereits reichen könnte, um das Schadstoffpotenzial zu bestimmen. Dafür gilt es allerdings noch herauszufinden, wie lange das Wasser bei einem Starkregen grundsätzlich verschmutzt. Entsprechend positiv bewertet der Berliner Forscher die Korbperformance: „Ziel war es, einen Probenahmekorb zu entwickeln, der in situ bei allen relevanten Rahmenparametern wie Wetter, Durchflussmengen und definierten Porengrößen bis runter auf 20 Mikrometer funktioniert.

Herausgekommen ist ein Probenahmekorb, der Fehler bei der Probenahme minimiert, alle Randparameter zur Beschreibung des Ereignisses miterfasst und ein gesamtes Regenereignis von der ersten Sekunde an beprobt. Bislang übliche Systeme konnten nur Teilproben ziehen.“ Mit der Ergänzung eines speziellen Pumpmoduls zur Beprobung der Flüssigphase erweiterten die Filtrationsexperten von GKD dieses breite Leistungsspektrum im Projektverlauf nochmals um ein bedeutendes Element. Zusätzlich zur definierten Feststoffprobenahme ist es damit nun möglich, auch eine repräsentative Teilprobe der gelösten Feststoffe zu ziehen und auf das gesamte Durchflussvolumen zurückzurechnen. Durch dieses Zusammenspiel von Probenahmekorb und flüssiger Phase wird das Gesamtbild der eingetragenen Stoffe abgerundet.

Für Daniel Venghaus bestätigte sich damit einmal mehr die besondere Qualität der Zusammenarbeit mit dem Filtrationsexperten: „Mit GKD hatten wir einen Partner mit vor Ort, der ein technisch passendes Gewebe lieferte und die Anforderungen definierte, um die Filtration bei diesen anspruchsvollen, undefinierten Rahmenbedingungen zu verstehen und in der Praxis zu beherrschen.“

Projekt RAU – Reifenabrieb in der Umwelt 

Das Projekt RAU wurde unter der Leitung von Daniel Venghaus, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft von Prof. Dr.-Ing. Matthias Barjenbruch, an der TU Berlin von August 2017 bis Januar 2021 durchgeführt. Für die geplante Erstellung des Maßnahmenkatalogs standen vier Arbeitsschwerpunkte auf dem Projektplan: Entwicklung eines Probenahmesystems, Analysekonzepts und -systeme, Laborversuche zur Partikelbeschreibung sowie in situ-Messungen. Als Leitpartikel wurde das Polymer SBR BR gewählt, da sich aus diesem Marker für Reifen ein Großteil des Reifenabriebs und damit die Eintragsmengen rechnerisch ermitteln lassen. Für die massenbezogene Analyse wurde im Projekt die Pyrolyse GC/MS (Gaschromatographie / Massenspektrometrie) verwendet. Mit dieser Methode kann der Leitpartikel qualitativ und quantitativ bestimmt und somit der Reifenabrieb in der Umweltprobe ermittelt werden.