AUFBEREITUNG & BEHANDLUNG

Effiziente Klärschlammverwertung

 

Frequenzumrichter senkt Netzverschmutzungsgrad


Wurden noch vor Jahren die in Kläranlagen entstehenden Gase verbrannt, kämpfen innovative kommunale Betriebe heute um jede Kilowattstunde Energie, die im Abwasser und seinen Folgeprodukten steckt. Wie sich die Energiepotenziale von Faul- und Klärschlamm erfolgreich heben lassen, demonstrieren die Stadtwerke Trier seit Jahren mit steigender Ausbeute. Das Abwasser zehntausender Bewohner der Region wird dort nicht nur mechanisch und biologisch geklärt, sondern liefert auch noch viel Strom und Wärme. Hierbei wird Energie gewonnen, die nicht nur die Kläranlage im Jahresmittel komplett versorgt. Künftig soll auch der Betrieb des, in der Nachbarschaft entstehenden, Energie- und Technikparks gesichert werden – samt seinem CO2-neutralen Rechenzentrum. Die Anlage ist der nächste Schritt auf dem Weg zu einer kombinierten Trocknungs- und Verbrennungsanlage, mit der die Stadtwerke Trier diese Form der Klärschlammverwertung voraussichtlich ab 2022 auch den Umlandgemeinden als Dienstleistung anbieten können. Der im Sommer in große Silos eingelagerte getrocknete Schlamm, kann dann im Winter verbrannt werden, wenn der Energiebedarf steigt. Insgesamt 12 Ultra-Low Harmonic Drives von ABB kommen dabei in der Schlammentwässerung zum Einsatz, die im Sommer 2021 in Trier in Betrieb ging.

 

Bislang wurde der biologisch aktive Schlamm aus den Becken einfach in Faultürme geleitet, um dort Klärgas zu erzeugen, das in zwei Blockheizkraftwerken jährlich bis zu etwa 2,7 Millionen Kilowattstunde Strom liefert und damit das Rückgrat des Energieautarkie-Projekts bildet. Seit Sommer 2021 lässt sich der im Faulturm entstehende Klärschlamm, den früher nur noch Landwirte zum Düngen nutzen konnten, auch noch auf dem Betriebsgelände energetisch verwerten, indem er entwässert und später, bei Bedarf, verbrannt wird. Das ist nicht nur sinnvoll, weil der Transport des Klärschlamms viel Geld und Energie kostet, sondern weil der trockene Schlamm als Feststoff leicht speicherbar ist. So kann er als Energiequelle eingesetzt werden, wenn beispielsweise die jährlich rund 70.000 Kilowattstunden einspeisende Photovoltaikanlage auf dem Gelände keinen Strom liefert oder der Strom- und Wärmebedarf gerade besonders hoch ist.



Netzverschmutzung in den Griff bekommen

Dass in einer, auf Eigenverbrauch optimierten, Anlage für den reibungslosen Betrieb auf hohe Stromnetzqualität geachtet werden muss, ist keine Überraschung. Denn wo viele Verbraucher sich im Stromnetz mit hohen Lasten zu- und abschalten, droht „Netzverschmutzung“ durch die beim Schalten oder Regeln entstehenden Oberwellen. Was harmlos klingt, kann das gesamte Netz ins Wanken bringen, denn Störungen einzelner Geräte können sich im Netz aufsummieren. Das Resultat ist flackerndes Licht, Sensoren, die nicht mehr richtig laufen und Sicherungen, die ausfallen. 

Ohne Gegenmaßnahmen beeinträchtigen die unerwünschten Schwankungen die Netzstabilität auch über das Betriebsgelände hinaus. Energieversorger können eine solche Netzverschmutzung nicht dulden und üben Druck auf ihre Kunden aus, die Ursachen abzustellen. So auch bei den Stadtwerken Trier, wo im Jahr 2018 nach einer Netzanalyse ein aktiver Oberwellenfilter angeschafft wurde, der die Probleme beseitigen sollte. Allerdings erwies sich dieser zentrale Filter als nicht ausreichend, um innerhalb des Netzes vor Störungen gefeit zu sein. „Viele Netzteile und Generatoren in unserem Schlammpumpwerk sind damals kaputt gegangen“, erinnert sich Volker Lex, der bei den Stadtwerken Trier für die elektrische Mess-, Steuer- und Regelungstechnik in der Automatisierungstechnik zuständig ist. Grund war die, zur Steigerung der Klärgasproduktion notwendige Vorbehandlung des Schlamms: Ultraschallwellen zerkleinern den langsam in Rohren laufenden Schlamm auf dem Weg zum Faulturm, doch diese „Desintegration“ des Schlamms erzeugte lokal Oberwellen im Stromnetz. 

Auch hier wurden aktive Filter eingebaut, um das Problem zu beheben. Mit Blick auf die Kosten attraktiver erschien jedoch, die Entstehung der Probleme zu vermeiden, also Geräte mit geringem Netzverschmutzungsgrad einzusetzen. Denn wenn Drehzahl und Frequenz von Motoren großer Leistung gesteuert werden, entstehen spürbare Oberwellen, die nicht immer tolerierbar sind, so dass Gegenmaßnahmen getroffen werden müssen.

Ein Wert, der Normen und Richtlinien übertrifft

Um einen Netzverschmutzungsgrad kleiner zehn Prozent zu erreichen, genügen schon Standard-Frequenzumrichter der ACQ-Reihe von ABB, wenn zusätzlich ein Passivfilter verwendet wird. Muss der THDi-Wert – die „Total Harmonic Distortion („gesamte harmonische Verzerrung“) des Stroms (i) – laut Projekt-Ausschreibung allerdings unter sechs Prozent sinken, kommt man am ACQ580 in der Ultra-Low-Harmonics-Drive (ULHD)-Variante nicht vorbei. Tatsächlich kann der Frequenzumrichter in dieser Ausführung den Netzverschmutzungsgrad in der Praxis unter drei Prozent senken – eine vernachlässigbare Größe. Denn dieser Wert übertrifft sowohl die Vorgaben der Richtlinien IEEE519 und G5/4 als auch der Norm IEC61000-3-12.

Auch die zwei Dekanterzentrifugen des Herstellers Flottweg (Vilsbiburg) – das Herz der Schlammentwässerungsanlage – werden von den ACQ580-Frequenzumrichtern von ABB in der ULHD-Variante angesteuert. Eine aktive IGBT-Eingangsbrücke (Insulated-Gate Bipolar Transistor) dämpft, im Zusammenspiel mit einer Netzdrossel, die Oberwellen sowohl niedriger als auch höherer Ordnung. Von den unterschiedlichen Techniken, Netzverschmutzungen wirksam zu begegnen, erspart die aktive Brückenschaltung die zusätzliche Installation von Filtern im Netz. Diese würden die Leistung vermindert. Das gewährleistet in der Praxis einen Leistungsfaktor von eins, da im Betrieb die Spannung vollständig am Antrieb zur Verfügung steht. Filterschaltungen hingegen bedeuten oft bis zu etwa fünf Prozent Spannungseinbuße und entsprechend weniger Effizienz. Weil das Netz keine Blindleistung bereitstellen muss, können auch Betriebsmittel wie Kabel, Schaltanlagen und Transformatoren schlanker ausgelegt werden.

Eine andere Besonderheit des Frequenzumrichters ist seine robuste Ausführung: Die darin verbauten, mehrfach lackierten Leiterplatten bewähren sich dank ihres Korrosionsschutzes gerade in der Abwasserbranche, wo Dämpfe aus dem Schlamm teilweise sogar durch Kabelkanäle in Schaltschränke dringen und Bauteile angreifen können.

Was in der Praxis zählt

Volker Lex von den Stadtwerken Trier nennt vor allem die unkomplizierten Schnittstellen als Grund für den Einsatz. Im Prinzip könnte es an Frequenzumrichtern immer mal eine Störung geben, gibt der Abwasser-Experte zu bedenken. Die Stadtwerke Trier haben für solche Fälle keine Ersatzgeräte im Lager, sondern legen die Anlagen einerseits mit Redundanz aus, andererseits so, dass im Störungsfall auf Direkt- oder Sanftanlauf umgeschaltet werden kann. So hat Lex auch allen Grund, den nächsten Realisierungsschritten bei der Klärschlammtrocknung und -verbrennung optimistisch entgegenzusehen, die in den nächsten Jahren noch den letzten Rest des im Abwasser steckenden Energiepotenzials nutzbar machen wird. „Was man aus so einer Kläranlage an Energie herausholen kann, ist schon fantastisch“, staunt der Elektrotechnikmeister.


Boris Vaihinger
Branchenmanager Wasser und Abwasser
Business Development 

ABB Motion Deutschland