Dass Besucherinnen an seinen Ufern die Luft weg bleiben kann, hat nicht nur mit den beeindruckenden Dimensionen dieses Gewässers zu tun: Tatsächlich ist der Titicacasee, der an Peru und Bolivien grenzt, kaum vorstellbare 15 Mal so groß wie der Bodensee. Darüber hinaus liegt er aber als geographisches Highlight des südamerikanischen Altiplano-Hochplateaus auch auf einer Höhe von über 3.800 Metern. Als Süßwasserreservoir hat der See existentielle Bedeutung für die Menschen im peruanisch-bolivianischen Andenhochland, ebenso als ursprünglich fischreicher Fanggrund für die Bevölkerung seiner Ufer.
Dieser Schatz der Natur steht seit Jahren unter Stress, und die Lage spitzt sich zu: 2,5 Kubikmeter Abwässer, die von der peruanischen und bolivianischen Bevölkerung erzeugt werden, fließen pro Sekunde in den See, viele Fischarten sind für immer verschwunden. Die internationale Umweltstiftung Global Nature Fund (GNF) und das von ihr koordinierte globale Seennetzwerk Living Lakes verleihen dem Titicacasee deshalb ihren Titel „Bedrohter See des Jahres“ – bereits zum zweiten Mal binnen elf Jahren.
Von der Situation vor Ort konnten sich 60 internationale Vertreter:innen aus dem internationalen Living Lakes-Netzwerk während der 16. Living Lakes-Konferenz im Dezember 2022 einen aktuellen Eindruck verschaffen. Juan José Ocola Salazar, Präsident der peruanisch-bolivianischen Umweltschutzorganisation ALT (Autonomous Binational Authority of Lake Titicaca), ergänzt: „Die Situation ist seit 2012 eher schlimmer als besser geworden, was auf den zunehmenden anthropogenen Druck auf die Wasserqualität zurückzuführen ist. Deshalb ist dieser erneute Titel ein finaler Weckruf: Wenn jetzt nichts passiert, könnte das Wasser des Sees auf Dauer nur noch unter sehr schwierigen Bedingungen als Trinkwasser für die Bewohner:innen seiner Ufer nutzbar gemacht werden. Und von Arten wie dem vom Aussterben bedrohten Titicaca-Riesenfrosch müssten wir uns dann für immer verabschieden.“
„Wir müssen klar sehen, dass die Zeit der Absichtserklärungen vorbei ist und es massiver Anstrengungen zum Schutz des Sees bedarf“, sagt Dr. Schaefer. „Deshalb animieren wir gemeinsam mit unseren Partnern sowohl die Menschen vor Ort zu umweltverträglicherem Verhalten als auch Behörden und Entscheidungsträger:innen zur Gestaltung eines ordnungspolitischen Rahmens, dessen Einhaltung tatsächlich überwacht und dessen Verletzung sanktioniert wird. Dass es seit geraumer Zeit Unruhen in Peru gibt, macht die Lage nicht leichter – es ist aber notwendig, auch in politisch schwierigen Zeiten ökologische Themen im Blick zu behalten.“