SCHUTZSYSTEME

Blau-grün-graue Infrastruktur

Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung

Im Gewerbegebiet Niederwiesen der Stadt Bräunlingen/Schwarzwald wird versucht, mit dem Niederschlagsabfluss der Dachflächen die Wasserhaushaltsgrößen Verdunstung, Grundwasserneubildung und Oberflächenabfluss soweit wie möglich zu erhalten, trotz Bebauung und Versiegelung. 

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Unter dem Betriebsgelände werden Betonfertigteile eingebaut, hier zwei Behälter, die zusammen bis zu 20 Kubikmeter Regenwasser zur Nutzung bereithalten. Im Zulauf davor reinigt ein Filterschacht das Wasser, das von den ca. 2.000 Quadratmetern Dachfläche stammt. Quelle: König

Der Mall-Substratfilter ViaPlus Typ 3000 wird von dem im Gewerbegebiet ansässigen Familienunternehmen Ing. G. Werr & S. Ludwig für die Regenwasserbewirtschaftung genutzt. Das Familienunternehmen entstand aus einem klassischen Heizung-/Lüftung-/Sanitär-Betrieb, beschäftigt heute 80 Mitarbeiter:innen und fertigt am neu gebauten Standort zusätzlich mobile Energiezentralen.


Blau-grün-graue Infrastruktur

Regenwasser von den 2026 Quadratmeter Dachflächen der drei Betriebsgebäude wird zurückgehalten und dann genutzt oder versickert. Das entlastet die kommunale Entwässerung und hilft, die Gefahr von Überflutung im Stadtgebiet zu reduzieren. Wasserorientierte Stadtplaner sehen darin Teile der so genannten blau-grünen Infrastruktur. Bestehen deren wesentliche Bestandteile wie in diesem Beispiel aus Beton, wird sie blau-grün-graue Infrastruktur genannt.

Die Regenwassernutzung war eine Entscheidung der Bauherrschaft. Die Dachbegrünung auf mindestens 30 Quadratmeter Dachfläche hatte die Kommune hier laut Bebauungsplan und Abwassersatzung gefordert – und, dass nicht genutztes Regenwasser von den Dächern auf dem Betriebsgelände versickert werden muss. Um den Trinkwasserbedarf möglichst gering zu halten und zugleich die Speichergröße wirtschaftlich vernünftig zu dimensionieren, haben Bauherrschaft und Planer aus Wasserertrag und Wasserbedarf die richtige Größe ermittelt. Dafür genügt ein frei verfügbares Simulationsprogramm oder zur überschlägigen Ermittlung das vereinfachte DIN-Rechenverfahren nach Anhang A. Das Ergebnis ist ein unterirdischer Speicher, bestehend aus zwei Betonbehältern mit zusammen 20,4 Kubikmeter Nutzvolumen.

Luftbild des Betriebsgeländes der Ing. G. Werr & S. Ludwig GmbH im Gewerbegebiet Niederwiesen der Stadt Bräunlingen. Das Regenwasser der drei Dachflächen wird im Regenspeicher gesammelt und genutzt, der Überlauf unterirdisch versickert. Quelle: Werr & Ludwig

Betriebssicherheit 

Die Zuverlässigkeit der Regenwasser-Nutzungsanlage (RWNA), also der störungsfreie Betrieb, zahlt sich aus, wenn Regenwasser wie in diesem Fall in der Produktion verwendet wird. Denn nicht vorhergesehene Ausfälle der Versorgung führen zu kostenintensiven Verzögerungen im Betriebsablauf. Auch die WC-Spülung für 80 Mitarbeiter:innen darf nicht für Stunden oder Tage ausfallen. Der Vorsorge, um Funktionsstörungen zu vermeiden, kommt in Gewerbe und Industrie und auch bei öffentlichen Gebäuden eine größere Bedeutung zu als im Privathaushalt oder bei der Gartenbewässerung.

Wie alle technischen Systeme benötigt auch die RWNA eine regelmäßige Inspektion und Wartung durch sachkundiges Personal. Bei Werr & Ludwig mit eigener Sanitärabteilung ist das kein Problem. Der richtige Zeitpunkt für Inspektion und Wartung ist im Frühjahr und im Herbst. Vor der Frostperiode sollte die Anlage zur Regenwassernutzung winterfest gemacht werden, falls es Außenzapfstellen gibt. Es lohnt sich dann auch, den Filterschacht zu reinigen. Was sonst zu tun ist, steht in Kapitel 11 und auf einer zweiseitigen Liste im Anhang E der DIN EN 16941-1.

Substratfilter „ViaPlus 3000“: Filterschacht aus Betonfertigteilen mit Funktionselementen, die das zu reinigende Wasser horizontal durchfließt. Das ermöglicht Sedimentation, Filtration und Adsorption; abflusswirksame Fläche (Au) 3.000 m². Quelle: Mall

Sicherheit für das Trinkwassernetz und die Nutzer

Bei privater Gartenbewässerung kann auf eine automatische Nachspeisung aus dem Trinkwassernetz verzichtet werden. In allen anderen Fällen ist sie fester Bestandteil der Anlage – und das schon seit mehr als 20 Jahren, seit im Jahre 2002 die erste technische Regel als DIN 1989 erschienen ist. Und immer war eines gleich: Eine RWNA darf nicht mit dem Trinkwassernetz direkt verbunden werden. Das Trinkwasser über ein kurzzeitig geöffnetes Absperrventil in den Speicher fließen zu lassen, wäre bequem, aber nicht korrekt. Ein undichtes Ventil und ein Überdruck auf der Regenwasserseite könnten im Normalbetrieb das Trinkwassernetz kontaminieren. Das hat sich unter Planern und Handwerkern mittlerweile herumgesprochen. Doch was einige nicht wissen: Ein Rohrtrenner genügt nicht. 

Während der freie Auslauf dem Schutz des Trinkwassernetzes dient, und zwar sowohl dem hauseigenen als auch dem damit verbundenen öffentlichen, dienen Maßnahmen zur Kennzeichnung von Anlagenteilen dem Schutz der Personen, die das Regenwasser entnehmen. Damit soll einer Verwechslung vorgebeugt werden. Frei zugängliche Entnahmestellen, also Zapfventile, sollen nicht von Personen geöffnet werden, die das Wasser für Trinkwasser halten. Deshalb werden Regenwasser-Entnahmestellen grundsätzlich mit abnehmbarem Oberteil ausgestattet und beschildert, auch im Privathaushalt. Neben anschraubbaren Schildchen gibt es auch entsprechende Aufkleber für Rohrleitungen, die nicht in der Erde liegen.

Montage der Betonfertigteile zu einem unterirdischen Sickertunnel. Im Hintergrund der Substratfilterschacht, der neben mineralölhaltigen Kohlenwasserstoffen auch Feststoffe wie Reifenabrieb und die Schwermetalle Kupfer und Zink aus dem Wasser entfernen kann. Quelle: König

Sicherheit für Boden und Grundwasser

Wohin mit dem Speicherüberlauf? Heutzutage müssen die vor Ort zuständigen Kommunen das Gefährdungspotential in Industriegebieten besonders abwägen. Die Stadt Bräunlingen hat für das Oberflächenwasser den Anschluss an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeordnet. Im Gegensatz dazu muss sämtliches Dachwasser, soweit es nicht vom Gründach aus verdunstet oder aus dem Regenspeicher genutzt wird, auf dem Grundstück „schadlos beseitigt“ werden. Aus Sicht der Bauherrschaft geht das nur unterirdisch, denn die komplette Oberfläche des Betriebsgeländes wird als Lagerfläche sowie als Parkplatz für Kunden und Mitarbeiter benötigt. Und das Überlaufrohr des Speichers liegt bereits unter der Erde.

Wegen der in Baden-Württemberg kritischen Haltung der Wasserbehörden bei Versickerung ohne bewachsenen Oberboden kam zwischen Dachablauf und unterirdischer Sickerrigole bei Werr & Ludwig ein „Alleskönner“ zum Einsatz, der Mall-Substratfilter ViaPlus Typ 3000. An diese Regenwasser-Behandlungsanlage dürfen bis zu 3000 Quadratmeter abflusswirksame Fläche angeschlossen werden. Die Reinigung erfolgt in drei Stufen:

1

Rückhaltung absetzbarer Stoffe

2

Trennung abfiltrierbarer Stoffe

3

Entfernung gelöster / emulgierter Stoffe

Regenwassercenter Tano XL für die Regenwassernutzung in Gewerbe und Industrie. Es enthält zwei Pumpen zur Druckerhöhung, einen Frequenzumrichter, ein System zur Trinkwassernachspeisung mit Zwischenbehälter, eine LCD-Anzeige und weitere vormontierte Einzelteile. Quelle: Mall

Diese Behandlungsstufen sind im Substratfilterschacht nebeneinander angeordnet. So kann der Höhenversatz auf 300 Millimeter begrenzt werden und es ergibt sich ein geringer Fließwiderstand. ViaPlus wurde speziell für die Entwässerung von Verkehrsflächen mit hohem Verkehrsaufkommen entwickelt, ist also deutlich „überqualifiziert“ für die Behandlung von Dachabläufen, die im Zulauf zum Speicher bereits gefiltert und sedimentiert wurden. Der Vorteil: Während eine Wartung bei Anschluss stark verschmutzter Flächen alle vier Jahre erforderlich wäre, sind die Intervalle hier um ein Vielfaches länger.


Sickertunnel

Die Entwässerungssicherheit ist auch beim definierten Starkregen gegeben, wenn für die Versickerungsanlage das Rückhaltevolumen nach den Regeln der Technik bestimmt wird. Dafür kann gemäß DWA-A 138-1 das Gründach als wassergesättigt, die gesamte Einzugsgebietsfläche von 2026 Quadratmeter mit Abflussbeiwert 1,0 und der Regenspeicher als voll angesetzt werden, ein Worst-Case-Szenario also. Die Simulation mit örtlichen Regendaten und dem Durchlässigkeitsbeiwert des Bodens ergibt knapp 60 Kubikmeter notwendiges Volumen (2). Die verwendeten standardisierten Tunnelelemente der Baureihe CaviLine führten zu einer Vergrößerung um 22 Prozent bei dann 118 Quadratmeter Sickerfläche. Die zylindrischen, liegenden Halbschalen des Tunnelsystems bilden ein sehr gutes Verhältnis zwischen Hohlkörpervolumen und Sickerfläche.

Hohlkörperrigolen des Typs CaviLine haben gegenüber den gebräuchlichen Füllkörperrigolen außerdem Vorteile durch den Werkstoff Stahlbeton. Sie sind statisch bestimmt, standsicher, bis SLW 60 belastbar und kommen auch bei großen Hohlräumen ohne innere Aussteifungen aus. Die Innenhöhe von 1,25 Meter gilt nach der Definition der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) als „begehbar“. Die Inspektion ist damit unkompliziert, man braucht keine spezielle technische Ausrüstung. Eine Kamerabefahrung ist nicht nötig. Der Einstieg erfolgt bei Bedarf durch den vorhandenen Domschacht. Nicht erforderlich ist eine regelmäßige Wartung der Sickertunnel, diese beschränkt sich auf den Substratfilter ViaPlus.

Kennzeichnung einer Entnahmestelle nach Vorgaben der DIN EN 16941-1, um Verwechslungen mit Trinkwasser durch die Nutzer zu verhindern. Dieses Ventil ist an einem großen Waschbecken installiert, das zur Reinigung von Bauteilen in der Produktionshalle dient. Quelle: König

Kosten und Kalkül

Früher wäre sämtliches Regenwasser in die Kanalisation eingeleitet und ohne Niederschlagsgebühr von der Kommune entsorgt worden. Die Kosten für die Regenwasserbewirtschaftung plus Dachbegrünung gemäß den behördlichen Auflagen liegen für das Familienunternehmen Werr & Ludwig deutlich über 100.000 Euro. „Natürlich belastet das und wir waren bei der Kalkulation auch erschrocken. Doch mit kühlem Kopf betrachtet finde ich es richtig, dass wir die Umwelt und speziell den Wasserhaushalt schützen, verursachergerecht – nicht über die Allgemeinheit,“ meint Jörg Ludwig. Er ist in der zweiten Generation geschäftsführender Gesellschafter. „Wir machen aus der Not eine Tugend und zeigen die zukunftsfähige Haustechnik im eigenen Neubau in der bestmöglichen Ausführung. Das dient der Kundenberatung und hilft sogar bei der Suche nach qualifiziertem Personal.“ Auch seine drei Kinder sind schon dabei und können den gut aufgestellten Betrieb bald übernehmen.

Aufruf an Gewerbebetriebe zum Weltwassertag 2024

Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) hat zum Tag des Wassers am 22.03.2024 eine Stellungnahme abgegeben, in der unter anderem vor regionalen und temporären Nutzungskonflikten durch Wassermangel in Deutschland gewarnt wird, falls nicht bald bundeseinheitliche Rahmenbedingungen für Zeiten mit extremer Trockenheit geschaffen werden. Diese Rahmenbedingungen sollten zum Beispiel die Verpflichtung zur Regenwassernutzung und zur Wasserwiederverwendung beinhalten, insbesondere im Gewerbe. Die Wasserwiederverwendung dürfe aber nicht nur als Instrument für Krisenzeiten gesehen werden, sondern müsse grundsätzlich flächendeckend zur Verfügung stehen.

Biogasanlage Palmhof in Bräunlingen. Von hier aus wird das gesamte Gewerbegebiet Niederwiesen versorgt. Die Technikzentrale mit Blockheizkraftwerk und Öl-Redundanzkessel wurde von der Ing. G. Werr & S. Ludwig GmbH geliefert und installiert. Quelle: König

Nahwärmeversorgung, Energiekonzept 

Die Biogasanlage Palmhof in Bräunlingen wurde 2005 in Betrieb genommen. Die installierte Leistung beträgt 2.200 kW, die Bemessungsleistung 450 kW, der Gasspeicher fasst 9.800 Kubikmeter. Der Palmhof versorgt das gesamte Gewerbegebiet Niederwiesen mit Nahwärme in Form von Warmwasser. Die Technikzentrale, das Blockheizkraftwerk und der Öl-Redundanzkessel dort stammen von der Ing. G. Werr & S. Ludwig GmbH. 


Die Produktionshalle des Betriebes Werr & Ludwig wird über Deckenstrahlplatten beheizt, kleinere Nebenräume konventionell über Heizkörper und die Büros mit Fußbodenheizung, jeweils mit Warmwasser aus dem Pufferspeicher der betriebseigenen Heizzentrale. Zudem sind die Büros mit Akustikdeckenplatten ausgestattet, die im Sommer auch kühlen können. Die Energie dafür stammt von einem Klimagerät. Den Strom zu dessen Betrieb liefert eine 30 kW Photovoltaikanlage auf dem Hallendach. Die Lüftungsanlage arbeitet mit Wärmerückgewinnung.

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Autoren


Klaus W. König 

Dipl.-Ing.