WASSERBEHANDLUNG 

Gebläsetechnik sorgt für ausreichend Luft 

Abwasserreinigung geht in den Untergrund

Zermatt liegt im Mattertal – und das ist schmal geschnitten. Der bekannte Wintersportort in der Schweiz zieht sich deshalb rechts und links vom Fluss Mattervispa die steilen Berghänge hinauf. Wohin also mit der Kläranlage, wenn rechts und links des engen Tals kein Platz dafür ist? 

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Wie das Abwasser am besten reinigen, ohne dass die Touristen im Sommer wie Winter die Nase rümpfen? Es ist der Ort, es ist die Technik und die Details in der Auslegung, welche die Abwasserreinigungsanlage in Zermatt so außergewöhnlich machen. Lange Felskavernen wurden über einen Zeitraum von fünf Jahren ins Alpenmassiv getrieben. Seitdem reinigt der Tourismusmagnet am Fuß des Matterhorns im Schweizer Kanton Wallis sein Abwasser unterirdisch hinter der verschlossenen Tür. Im Inneren sorgt Gebläsetechnik von Aerzen für ausreichend Luft für Filter und Belebung. 

„Das Abwasser kommt von beiden Talseiten in die Kläranlage“, erzählt Betriebsleiter Beni Zenhäusern. Die Straße vor dem markanten Eingangsportal zur Abwasserreinigungsanlage (ARA) Zermatt ist deshalb unterkellert. Hier sind die Rechenanlage sowie der Sand-Fett-Fang installiert. „Danach kommt ein Pumpwerk, welches das vorbehandelte Abwasser 11 Meter nach oben pumpt, bevor es auf zwei identische Reinigungsstraßen aufgeteilt wird.“ 

Zermatt liegt am Fuß das Matterhorns – und dessen Gipfel bleibt immer wieder gern in der Wolkendecke verborgen. 

Tourismus bestimmt die Abwassertechnik 

Zermatt ist ein Phänomen in der Abwassertechnik. Gerade einmal 5600 Einwohner zählt der Ort. Die Kläranlage jedoch hat eine Kapazität von 76.000 Einwohnergleichwerten (EWG). Hintergrund: Zur Hauptsaison im Winter und Sommer kommen Schmutzfrachten an, die für den vollständigen Abbau einen chemischen Sauerstoffbedarf (CSB) von 60.000 erreichen. „Wir haben eine jährliche Auslastungskurve, die mit zwei Höckern einem Kamel gleicht“, sagt Zenhäusern. Ein CSB-Wert von 60.000 EWG entspricht dem einer mittelgroßen Stadt. So viele Menschen können sich aber selbst dann nicht in Zermatt aufhalten, wenn alle Betten restlos ausgebucht sind. 

Erklären lässt sich das hohe Frachtaufkommen und der enorme CSB-Wert für die Abwasseraufbereitung durch die Einleitung aus der Gastronomie. „Touristen frühstücken, gehen mittags essen und sitzen abends beim Dinner“, erzählt Beni Zenhäusern. Dieser intensive Konsum lässt den CSB-Wert in die Höhe schnellen. Die jährliche Durchschnittsbelastung liegt zwischen 24.000 und 25.000 EWG. Spürbare industrielle Einleiter gibt es in Zermatt keine. Großbetriebe sind in der Abwassertechnik besser zu steuern, da die Schmutzfrachten eine gewisse Kontinuität an den Tag legen. Die Vielzahl an Kleinbetrieben aus Hotellerie und Gastronomie lässt sich nach Erfahrung des Abwassermeisters nicht so einfach steuern. „Wir wissen nie, was uns erwartet. Deshalb nehmen wir bereits nach dem Sandfang Proben.“ Die Daten aus den Messungen dienen dann der Frachtberechnung.

In Stein gemeißelt: Das Absetzbecken der ARA Zermatt gleicht einem Tunnel.

Energieoptimierte und standardisierte Gebläsetechnik 

Die Biologie liegt weiter innen im Alpenmassiv. An die zwei Becken der Denitrifikation schließen sich Y-förmig jeweils zwei Filterstraßen an, die funktional zur Nitrifikation gehören. Fünf Filterkassetten bilden eine Filterstraße. Jede Kassette zählt 48 Hohlfasereinheiten. Für die notwendige Sauerstoffversorgung setzt die ARA Zermatt in zwei Gebläseräumen einen identischen Maschinenpark von Aerzen ein. Installiert sind jeweils fünf Drehkolbengebläse Delta Blower vom Typ GM 50 L (max 90 kW, 3300 m³/h, max 700 mbar). Die fünfte Generation der Geräte arbeitet energieoptimiert und liefert mit einer Motorleistung von 45 kW bis zu 50 Normkubikmeter pro Minute. Eine Besonderheit in der Auslegung bestand darin, dass Zermatt mehr als 1600 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Das bringt entsprechende Auswirkungen auf die Dichte der angesaugten Luft mit sich. Ebenfalls eine Herausforderung sind die starken Temperaturunterschiede zwischen Winter und Sommer.   

Aus den beiden Maschinenräumen heraus übernehmen jeweils zwei Delta Blower die Versorgung der Nitrifikation mit ausreichend Sauerstoff. Zwei weitere Drehkolbengebläse sind dem Membranfilter zugeordnet. „Die Hohlfasern wollen während des Betriebs immer in Bewegung bleiben. Das machen wir mit Luft“, merkt Zenhäusern an. Das jetzt noch übrig gebliebene fünfte Gebläse ist als Reserve vornehmlich dem Filter zugeordnet, kann aber auch über eine entsprechende Schieberstellung in die Nitrifikation fördern. Dieser Aufbau mit einem identischen Maschinenpark macht in Zermatt die Leistungsverteilung der Gebläseluft flexibel und senkt als Folge der Standardisierung den Ersatzteilaufwand. 

Zwei Drehkolbengebläse vom Typ Delta Blower belüften den Sandfang.  

Mit Blick auf die Betriebssicherheit arbeitet die ARA Zermatt in Service- und Wartungsfragen eng mit Aerzen Schweiz zusammen – vornehmlich in Person von Michael Schüpbach. Der Leiter des Service Centers in Frauenfeld südlich vom Bodensee hat für das Kläranlagenteam unter anderem einen Revisionsplan für alle Gebläse erstellt. Dieser beinhaltet für jedes Aggregat eine Zeitplanung auf Basis der Betriebszeiten und schließt die bei Revisionen notwendigen Betriebsstoffe sowie Ersatzteile ein. Ferner gibt die Planung wertvolle Hinweise für notwendige Hilfsmittel – dann etwa, wenn für geplante Arbeiten ein Montagekran erforderlich ist.  

Letztlich steht über allen Arbeiten die Maßgabe der Betriebssicherheit und langfristigen Verfügbarkeit. Hohe Maßstäbe stellen gerade die Membranfilter auf. Sie trennen nach dem Ammonium-Nitrat-Abbau den Belebtschlamm vom biologisch gereinigten Wasser. Das Wasser wird per Unterdruck durch die Membran ins Innere der Hohlfasern gesaugt. Die Druckdifferenz erzeugt eine Drehkolbenpumpe. Die Luft aus den Gebläsen wirkt als kontinuierliche Grobbelüftung. Diese ist notwendig, um die Membranen in Bewegung zu halten, da die Membranöffnungen gerade einmal 0,04 Mikrometer messen – was selbst für Bakterien zu klein ist. Ergo würden die Membranen sofort verstopfen, wenn der Luft-Wasser-Strom ausfällt.

Nicht viel zu sehen: Die Kläranlage Zermatt schmiegt sich optisch unscheinbar an das Alpenmassiv. Hinter der Tür verbirgt sich modernste Prozesstechnik. Fotos: Thorsten Sienk  

Zehnfache Kapazität und strenge Abwasservorschriften

Insgesamt bringt es die unterirdische Biologie auf eine Filterfläche von 32.500 Quadratmetern. Das entspricht in etwa der Größe von 4,5 Fußballfeldern auf engstem Raum. Die Hohlfasern addiert, würden mit einer Länge von rund 5000 Kilometern von Zermatt nach Dubai reichen. „Wir leben vom Tourismus“, meint Beni Zenhäusern. Dafür investiert der Ort in eine Kläranlage, die die zehnfache Kapazität dessen hat, was die Bevölkerung eigentlich benötigt. Hinzu kommen die strengen Abwasservorschriften der Schweiz, die in Zermatt noch ein Stück strenger ausfallen aufgrund des kleinen Vorfluters. Sind in der Schweiz 0,8 mg Phosphat pro Liter der Grenzwert, liegt dieser in Zermatt bei nur 0,5 mg. 

Angesichts dieser Rahmenbedingungen setzt die Abwasserreinigungsanlage in Zermatt ausschließlich Technik ein, die den hohen Ansprüchen an die Verfügbarkeit gerecht wird. Aerzen hat sich hierbei als Hersteller empfohlen, der über die reine Technik hinaus auch als Partner über den gesamten Lebenszyklus sein Know-how weitergibt. Diese Zusammenarbeit hat vor allem Aspekte der Effizienz, Betriebssicherheit und Langlebigkeit zum Ziel.