Nicht planmäßig sind „aufgeweichte“ Deiche, die noch nicht überströmt sind und deren Anstauhöhe und -dauer durch eine normgerechte Bemessung/Ertüchtigung abgedeckt sein sollten. Auftretende Schwachstellen müssen zur Sicherung der Deiche von Kräften des operativen Hochwasserschutzes im Rahmen der Deichverteidigung behoben werden. Hier muss im Nachgang fundiert analysiert und bei Bedarf nachgearbeitet werden. Bekannt ist, dass nicht alle Deiche in Deutschland auf dem aktuellen Stand der Technik entsprechend der DIN 19712 und dem Merkblatt DWA-M 507 „Flussdeiche“ Teile 1 und 2 sind. Viele Bundesländer verfolgen ein Deichsanierungsprogramm, in dem Flussdeiche im Laufe der Zeit priorisiert auf Stand gebracht werden. Verschiedenen Umständen geschuldet können nicht alle Deiche gleichzeitig saniert werden. Hier wirken sich zeitliche Verschiebungen und Verzögerungen aus haushälterischen Gründen und/oder sehr lange Planungs- und Genehmigungsverfahren aus.
Nicht planmäßig, aber auch nicht wirklich überraschend wären Deichüberströmungen oder Deichbrüche bei Abflüssen oder Wasserständen jenseits der Bemessungswerte. Nicht überraschend deshalb, weil man weiß, dass diese Extremwerte, wenn auch selten, jederzeit auftreten können und dann die Schutzmaßnahmen nicht mehr vollständig wirken. Bisher sind aber keine solchen Überströmungen von Deichen (ohne/ mit Deichbruch) bekannt. Dies gilt es im Nachhinein zu prüfen.
Aktuell unklar: Die großflächige Ausdehnung des Hochwassers im Wesereinzugsgebiet sollte Anlass geben, die meteorologisch- hydrologischen Ansätze zu überprüfen. Als Beispiel seien die Überflutungen im Mündungsbereich der Aller in die Weser durch die Überlagerung der Hochwasserwellen genannt. Auch die Ausstattung der Einsatzkräfte (Feuerwehr, THW, Katastro- phenschutz, DLRG, DRK, Polizei, Bundeswehr…) ist vor dem Hintergrund der Anforderungen des derzeitigen Hochwasserereignisses zu überprüfen. Dabei muss die Angemessenheit der personellen Ausstattung, verfügbaren Ressourcen sowie der Ausbildungsstand bewertet und Schlussfolgerungen gezogen und praktisch umgesetzt werden.
Im Nachgang gilt es, die oben genannten Aspekte im Sinne einer strukturierten Ereignisanalyse auseinanderzuhalten, um mögliche Gegenmaßnahmen und „Lessons Learned“ klar zu identifizieren. Dazu gehört insbesondere die Analyse der Schäden in Überschwemmungsgebieten, in denen jüngst noch gebaut wurde. Schlimmstenfalls entstand Bebauung in vermeintlich von Deichen geschützten Gebieten, die aber gegebenenfalls gar nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Bundesweit gehen wir von einem jährlichen Wertzuwachs von circa 3 Prozent in Überschwemmungsgebieten oder Risikogebieten aus.
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Autoren
Prof. Dr.-Ing. habil. Dirk Carstensen
Präsident Deutsches Talsperrenkomitee e. V. (DTK) und Sprecher DWA-Arbeitsgruppe Wasserbau und Wasserkraft 4.4 „Deiche an Fließgewässern“;
Prof. Dr. Robert Jüpner
Sprecher der Fachgemeinschaft Hydrologische Wissenschaften (FHGW) in der DWA
Dr.-Ing. habil. Uwe Müller
DWA-Vizepräsident, Vorsitzender des DWA-Hauptausschusses Hydrologie und Wasserwirtschaft
Dr.-Ing. Klaus Piroth
Obmann des DWA-Fachausschusses „Hochwasserrisikomanagement“
Prof. Dr.-Ing. habil. Reinhard Pohl
Obmann des DWA-Fachausschusses „Stauanlagen und Hochwasserschutzanlagen“, Mitglied DWA-Hauptausschuss Wasserbau und Wasserkraft
Prof. Dr.-Ing. Holger Schüttrumpf
Obmann FA WW-6 „Bauwerksmanagement, DWA-Hauptausschuss Wasserbau und Wasserkraft