GEWINNUNG & NUTZUNG




Dürreperioden mit Sanddämmen begegnen

Wasserversorgung in Ostafrika sichern

​Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte zeigt, dass durch den Klimawandel extreme Wettereignisse zunehmen, so erlebt das Horn von Afrika aufgrund ausgefallener Regenzeiten eine der schlimmsten Dürrekatastrophen der Geschichte.. Mit der Errichtung von Sanddämmen hat die international tätige Hilfsorganisation arche noVa aus Dresden ein Mittel gefunden, wirksam die lokalen Folgen der Klimakrise zu entschärfen. Durch die Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit lokalen Partnerorganisationen und die Förderung von Selbstverwaltungsstrukturen wird so die Wasserversorgung vor Ort gesichert und werden die örtlichen Gemeinden im Hinblick auf kommende Dürreperioden gestärkt.

In vielen Regionen Ostafrikas war das Klima schon immer eine Herausforderung. Auch wenn die durchschnittlichen Jahresniederschlagsmengen zum Teil fast mit denen aus gemäßigten Breiten vergleichbar sind, so konzentriert sich der Großteil der Niederschläge jährlich auf meist zwei Spitzen, so dass kurze Perioden mit Hochwasser und monatelange Phasen von Trockenheit im ständigen Wechsel stehen. Diese ausgeprägten klimatischen Extreme sind zum Beispiel im Machakos County in Kenia ein Phänomen, auf welches sich die Bevölkerung eingestellt hat und Bewältigungsstrategien entwickeln konnte, um in diesem semi-ariden Gebiet zu leben. Allerdings gibt es eine Reihe Faktoren, die die Lage immer weiter verkomplizieren. So hat zum Beispiel das Kenianische Erbrecht zur Folge, dass Parzellen für landwirtschaftliche Nutzung immer kleiner werden, was viele Familien in eine Subsistenzwirtschaft (Bedarfswirtschaft) drängt. Des Weiteren führt die relative Armut in der Region und die daraus resultierende Prävalenz illegaler Holzkohleproduktion zu einer Entwaldung, die in Kombination mit den schweren Regenfällen zu Erosion und damit zum Verlust fruchtbaren Erdbodens für die Landwirtschaft führt.

Wasserversorgung zunehmend ein Problem

Der Klimawandel verschärft diese extremen klimatischen Bedingungen nun zusätzlich. Wie in vielen Regionen Ostafrikas werden die Regenzeiten immer kürzer und die Gesamtmenge der Niederschläge sinkt. In den besonders betroffenen Gebieten sind die letzten vier Regenzeiten sogar fast vollständig ausgefallen.

Die Folgen sind dramatisch, denn obwohl der Ausfall einer Regenzeit auch in der Vergangenheit häufiger vorkam, stoßen die Gemeinden mit den wiederholten Ausfällen in Folge nun schnell an die Grenzen ihrer Resilienz. Aufgrund fehlender Wasserinfrastruktur werden die Fußmärsche immer länger, die viele Menschen auf sich nehmen müssen, um an Wasser zu kommen. Millionen Menschen, deren Existenz von der Viehzucht abhängt, finden weder Nahrung noch Wasser für ihre Tiere, Kleinbauern müssen dabei zusehen, wie ihre Ernten vertrocknen oder wie der Rest davon Heuschrecken zum Opfer fällt.

Gerade angesichts der aktuellen Dürrekatastrophe bleibt vielen Menschen nichts Anderes übrig, als ihre Dörfer zu verlassen. Diese Landflucht wiederum setzt die Großstädte unter Druck, deren Infrastruktur bereits jetzt überlastet ist und die unter starken sozialen Verwerfungen als Folge der COVID-19-Pandemie leiden.

Resilienz der Betroffenen stärken

Mit dem Fokus auf Wasser-, Sanitärversorgung und Hygieneaufklärung (WASH) ist die international tätige Hilfsorganisation arche noVa aus Dresden seit 2011 in Ostafrika aktiv. Gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen führt sie Projekte der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit in Kenia, Äthiopien, Somalia und Uganda durch. Die Folgen des Klimawandels zeigen sich in den Projektregionen immer deutlicher. Gerade die Versorgung mit sicherem Wasser wird in vielen Regionen am Horn von Afrika immer schwieriger. Dabei ist die Verfügbarkeit von Wasser die Grundvoraussetzung, um den Menschen in den Gegenden, die vom Klimawandel betroffen sind, Perspektiven zu ermöglichen.

Um die Wasserversorgung in den Projektgebieten nachhaltig sicher zu stellen, erarbeitet arche noVa gezielt Lösungen, die die betroffenen Gemeinden aktiv miteinbeziehen und auf die Gegebenheiten vor Ort sowie traditionelle Techniken eingehen. Durch einen intensiven Wissenstransfer werden die Menschen vor Ort in die Lage versetzt, konstruktiv auf den Klimawandel zu reagieren, sich selbst zu versorgen und sich so neue Einkommenschancen zu erschließen. Ein Beispiel, das zeigt, wie dies gelingen kann, ist der Bau von Sanddämmen. Gemeinsam mit den Partnerorganisationen African Sand Dam Foundation (ASDF) und dem Laikipia Permaculture Trust (LPCT) hat arche noVa in Kenia bis 2021 bereits 60 dieser Bauwerke erstellt und die Lebensbedingungen der Menschen in den betroffenen Gemeinden spürbar verbessert.

Sanddamm nach Fertigstellung

Aus lokal verfügbaren (Stein, Kies, Sand) und zugekauften Materialien (Zement, Bewehrungsstahl) wird der Bau umgesetzt. Dabei gilt die Goldene Regel, dass der Damm mindestens 1,5m breiter als der maximale Flutpegel sein muss und das Wasser seinen natürlichen Lauf nicht verlässt.

Mit Sanddämmen Wasserversorgung sichern

Ein Sanddamm ist meist ein Schwerkraftdamm, der allerdings nicht wie die üblichen Bauwerke dieser Art einen Stausee entstehen lässt (siehe Schaubild). Es handelt sich vielmehr um einen Damm in einem saisonalen Flusslauf, der während der Regenzeiten die Flussgeschwindigkeit über einen gestuften Überlauf drosselt und dabei relativ konstant hält. Dies hat zur Folge, dass sich f lussaufwärts des Dammes Sedimente absetzen, die eine gleichförmige Korngröße aufweisen, während kleinere Partikel ungehindert den Damm überqueren. So ist ein Sanddamm in der Regel nach etwa 2-4 Regenzeiten „versandet“ und gilt somit als ausgereift.

In dem versandeten Flussbett, welches sich je nach Gefälle des Terrains und der Höhe des Überlaufes über mehrere Kilometer erstrecken kann, ist bis zu etwa 23 % des Volumens nicht vom Sediment okkupiert. Durch die Abwesenheit kleinerer Partikel staut sich in diesen Zwischenräumen Wasser an. Hierbei ist anzumerken, dass in Bezug auf die gesamte Wassermenge in den Flussläufen, welche zu einem Großteil ungenutzt ins Meer fließt, nur etwa 3 % des Wassers zurückgehalten werden, so dass die negativen Auswirkungen auf eine Wasserführung flussabwärts des Dammes gering ausfallen.

Durch den Sanddamm entsteht also kein Stausee, sondern eine „unterirdische“ künstliche Süßwasserlinse, die zum einen den existierenden Grundwasserspiegel speist und zum anderen direkt von den Gemeinden über Pumpen genutzt werden kann. Zusätzlich mindert der Sand, im Vergleich zu einem offenen Stausee, den Grad der Verdunstung des Wassers, denn die Einwirkung der Sonne ist auf etwa die oberen 60cm der Sandschicht limitiert.

Voraussetzungen für Sanddämme

​Damit ein Sanddamm nachhaltig seinen Zweck erfüllt, müssen einige Vorbedingungen erfüllt sein. So muss das im Flusswasser mitgeführte Material zu mindestens 95 Prozent aus Sand bestehen. Beträgt der Anteil an Schlick und Schlamm mehr als fünf Prozent, droht eine Verschlammung der aufgestauten Fläche. Zudem verringert sich die Menge der gespeicherten Wassermenge parallel zur Abnahme der Größe der Sandkörner. Als weitere technische Grundvoraussetzung muss der Sanddamm an einem Ort gebaut werden, an dem das Flussbett aus gut erreichbarem, felsigem Untergrund besteht. Denn nur wenn der Damm direkt in dem Grundgestein verankert ist (siehe Schaubild), kann die Gefahr einer Unterspülung verhindert werden, die den Damm perspektivisch wegschwemmen würde.

 

Für den Bau sind anschließend zwei goldene Regeln bestimmend:

Der Sanddamm muss auf beiden Seiten mindestens 1,5 Meter breiter sein als die gewöhnliche Flussbreite bei Hochwasser, damit sich das Wasser nicht einen Weg um das Bauwerk bahnen kann. Zudem muss der Sanddamm dem Fluss seinen angestammten Verlauf lassen. Das gelingt über die Abstufung der Dammhöhe. Diese nimmt vom Ufer des Flusses zum Zentrum hin ab und sorgt dafür, dass das über den Damm fließende Wasser stets in der Mitte des Flusslaufs über das Bauwerk strömt.

Sanddämme sind technisch vergleichsweise einfach zu erstellende und wartungsarme Bauwerke. Sie ermöglichen den Gemeinden durch begleitende Maßnahmen eine nachhaltige Verbesserung der Einkommenssituation und eine Stärkung der Selbstverwaltung. Es sind sogar Verbesserungen des Mikroklimas zu verzeichnen, wenn mehrere Sanddämme in einer Reihe gebaut werden.

Einbezug der Gemeinden

Nebst den technischen Voraussetzungen sind für den nachhaltigen Betrieb eines Sanddamms auch weitere Kriterien wichtig. Zentral ist etwa die enge Zusammenarbeit mit der Gemeinde, die den Damm baut und betreibt. Die Hilfsorganisation arche noVa engagiert sich deshalb nur dort, wo bereits eine lokale Initiative besteht. Denn nur wenn sich die Gemeinde mit dem Projekt identifiziert, kann die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass der Damm von den involvierten Menschen längerfristig unterhalten wird.

„Mit unserem Brunnen am Sanddamm habe ich Zugang zu sauberem Wasser und muss nicht mehr weit laufen, um meine Container zu füllen. Auch das Vieh hat genug Wasser und ich kann die Felder bewässern“

Patricia Kioko, Mitglied der Mukaso Selbsthilfegruppe

Der Einbezug der beteiligten Gemeinde umfasst dabei sowohl die Vorbereitungen als auch den Bau des Damms. Hinzu kommt, dass die lokalen Partnerorganisationen nur mit den Menschen und nicht für sie arbeiten. Dies bedeutet, dass weder Hilfsgüter noch Bargeld verteilt werden, sondern lediglich Expertise, Training, logistische Unterstützung, Werkzeuge und ein Teil der Baumaterialien, wie zum Beispiel Zement und Bewährungsstahl, geliefert werden. Sand, Kies und Gestein werden dagegen von den Selbsthilfegruppen beigesteuert.

Zusätzlich zu den Baumaßnahmen werden außerdem Schulungen für die Selbsthilfegruppen durchgeführt. Im Fokus steht dabei einerseits die Bewirtschaftung des Damms und der integrierten Pumpe. Durch die Einrichtung eines Wasserkiosks etwa kann das gewonnene Wasser gegen eine geringe Gebühr verkauft werden, was den Unterhalt der Bauwerke finanziert. In einem zweiten Ausbauschritt kann dann auch der Kauf von Solarpanels ermöglicht werden, diese machen den Betrieb der Pumpe von der vielerorts unsicheren Stromversorgung unabhängig. Andererseits umfassen die Schulungen auch die Förderung von einkommensschaffenden Maßnahmen.

Durch den steigenden Grundwasserspiegel rund um den Damm entsteht außerdem die Möglichkeit, Baumschulen anzulegen, Äcker ganzjährig zu bewirtschaften und zusätzlich zu Nutzpflanzen für den eigenen Bedarf auch Cash Crops anzubauen oder sogar Fischteiche anzulegen. Gemeinsam mit den lokalen Partnerorganisationen leistet arche noVa hierbei Anschubhilfe durch Schulungen zu nachhaltigen Landwirtschaftsmethoden, der Verteilung von dürreresistentem Saatgut oder durch die Finanzierung von Setzlingen.

Positive Folgen sichtbar

An vielen Projektstandorten sind die positiven Folgen der Sanddämme bereits jetzt sichtbar. Die Geschichte von Patricia Kioko aus Muthini im Makueni County ist dafür ein gutes Beispiel. Als Mitglied der Mukaso Selbsthilfegruppe war sie selbst am Bau eines Sanddamms beteiligt und profitiert nun gemeinsam mit ihren drei Kindern von einer besseren Wasserversorgung. „Unsere Familie braucht 100 l Wasser pro Tag“, berichtet Kioko. „Vor dem Bau des Sanddamms und des Brunnens haben wir unser Wasser am weit entfernten Tawa Fluss geholt. Da gab es lange Schlangen und das Ganze konnte bis zu zwei Stunden dauern. Außerdem war das Wasser nicht mal sicher genug, um es zu trinken.“ Mit dem Bau des Damms änderte sich dies. „Jetzt mit unserem Brunnen am Damm habe ich Zugang zu sauberem Wasser und muss nicht mehr weit laufen, um meine Container zu füllen. Auch das Vieh hat genug Wasser und ich kann die Felder bewässern“, so Kioko.

Angesichts der derzeitigen Dürrekatastrophen zeigt sich gerade besonders deutlich, wie wichtig die Sanddämme für die betroffenen Gemeinden sind. Die Sandamm-Projekte funktionieren. Trotz der Dürre kann in den Projektorten die Wasserversorgung weiterhin sichergestellt werden. Dies bedeutet oft auch die Rettung für angrenzende Gemeinden, die kein Wasser mehr haben und auf Hilfe angewiesen sind. Durch die Sicherung der Wasserversorgung wird zudem die Selbstversorgung mit Lebensmitteln überhaupt erst möglich, was hinsichtlich der fehlenden Lebensmittelimporte und gestiegenen Preise als Folge des Ukraine-Krieges immer wichtiger wird. Nicht zuletzt zeigen auch die Baumschulen und Wiederaufforstungsprogramme positive Auswirkungen für die Gemeinden. Durch die Veränderung des Mikroklimas und das Aufhalten der Versteppung leisten sie einen zentralen Beitrag, um die Folgen der zunehmenden und länger andauernden Dürreperioden abzumildern.

Wissenstransfer über Landesgrenzen 

Aufgrund der positiven Erfahrungen mit dem Bau von Sanddämmen hat sich das Konzept bereits über die Landesgrenzen Kenias hinaus verbreitet. Gemeinsam mit der somalischen Partnerorganisation Action for Social and Economic Progress (ASEP) und ASDF hat arche noVa nahe der Stadt Garbaharrey in der Region Gedo bereits einen Sanddamm errichtet.

Auch wenn der Damm noch nicht genügend Regenzeiten erlebt hat, um gesättigt genug als Wasserreservoir zu dienen, macht die aktuelle Dürrekatastrophe gerade deutlich, wie wichtig solche Wasserspeicher zukünftig sein werden. Zudem unterstreicht das Beispiel die Bedeutung des durch arche noVa ermöglichten Wissenstransfers zwischen verschiedenen Hilfsorganisationen. Durch die institutionelle Stärkung der lokalen Partnerorganisationen werden diese befähigt, sich untereinander zu vernetzen und Wissen und Ideen für Lösungsansätze im Kampf gegen den Klimawandel auszutauschen und im Notfall selbstständig reagieren zu können. Das Ziel müsste eigentlich sein, dass die Hilfsorganisationen gar nicht mehr benötigt werden. Doch angesichts fehlender finanzieller Hilfen im Kampf gegen die Dürrekatastrophe in Ostafrika zeigt sich derzeit, wie wichtig die Unterstützung durch die Hilfsorganisationen weiterhin bleibt.

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Autoren


David Streit 

Mathias Anderson

arche noVa Initiative für Menschen in Not e. V.