WASSERBEHANDLUNG 

Innovative Gebläsetechnik verbessert Energieeffizienz

Energiewende auf der Kläranlage

Kläranlagen sind meist die größten Energieverbraucher in Kommunen. Trotzdem lag der Fokus bis dato fast ausschließlich auf der Versorgungssicherheit und der Reinigungsleistung (Einhaltung der Überwachungswerte). Effizienz war lange Zeit kein Thema. Dabei verbraucht die kommunale Abwasseraufbereitung in der Regel 30 bis 40 Prozent mehr Strom als nötig.

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Das Einsparpotenzial ist also enorm. Angesichts steigender Energiepreise, erhöhtem Kostendruck sowie der angestrebten CO2-Reduktion nach dem Pariser Abkommen (bis 2030 65 Prozent weniger CO2-Emissionen gegenüber dem Niveau von 1990) wird die Energie- und Ressourceneffizienz für Kläranlagenbetreiber jedoch immer mehr zum entscheidenden Faktor – und die energetische Optimierung damit zur Schlüsselaufgabe.

Optimierung der Belüftung als Schlüssel zu mehr Energieeffizienz

Der Trink- und Abwasserzweckverband (TAV) Liebenwalde hat die Zeichen der Zeit erkannt und seine 1995 in Betrieb genommene Kläranlage grundlegend modernisiert. Im Zentrum stand dabei die Optimierung des Belüftungssystems im Belebungsbecken, denn auf die biologische Reinigungsstufe entfallen 60 bis 80 Prozent des gesamten Energiebedarfs bei der Abwasseraufbereitung. Durch die Umrüstung auf effiziente Aerzen-Drehkolbenverdichter vom Typ Delta Hybrid sowie das Ersetzen des Belüftungssystems konnte die Sauerstoffversorgung optimiert und der Energieverbrauch in der Belebung reduziert werden. Dazu trugen auch der Einbau neuer Rohrleitungen bei sowie der Einsatz eines zusätzlichen Rücklaufschlammrechens im Rücklaufbauwerk. Dieser holt Feststoffe heraus, die sich sonst auf den Belüftern im Belebungsbecken festgesetzt und die Effizienz verschlechtert hätten.

Drehkolbenverdichter: Das Beste aus zwei Welten

Auf der Kläranlage in Liebenwalde (nördlich von Berlin) sorgen zwei Drehkolbenverdichter Delta Hybrid D 62S mit einem Ansaugvolumen von 41,7 Kubikmeter pro Minute und einer Druckdifferenz von 480 mbar für die Druckluftversorgung im Belebungsbecken. Drehkolbenverdichter beziehungsweise Schraubengebläse zählen zu den innovativsten Lösungen der Kompressortechnologie. Sie vereinen die Vorzüge von Gebläse- und Verdichtertechnologie in einem System. Ausschlaggebend für den Einsatz der Delta Hybrid in Brandenburg war vor allem die Möglichkeit zur Außenaufstellung. „Wäre es allein nach dem Kriterium Energieeffizienz gegangen, wäre ein Turbogebläse die beste Wahl gewesen. Doch die Aggregate sollten ohne Umhausung direkt am Becken aufgestellt werden. Konstruktionsbedingt lassen dies die Turbos jedoch nicht zu“, so Christian Meyer von Aerzen.

Spezialisten für den Outdoor-Einsatz 

Die Delta Hybrid hingegen sind wahre Spezialisten für den Outdoor-Einsatz. Dank Pulverbeschichtung, Stahlverzinkung sowie eines abgedichteten Schallhaubendesigns mit einer ausgeklügelten Luftführung im Inneren sind sie optimal für Wind und Wetter ausgelegt und kommen auch mit der klärwerkstypischen H2S-Belastung mühelos zurecht. Damit im Falle einer Havarie oder beim Ölwechsel die Umwelt nicht belastet wird, wurde zusätzlich eine Ölwanne eingebaut. Die Außenaufstellung direkt am Becken bietet vor allem zwei Vorteile: Zum einen kann so die verbindende Rohrleitung extrem kurz ausfallen, was die Energieverluste auf ein Minimum reduziert. Der andere Punkt betrifft die Temperatur der Ansaugluft. Aus thermodynamischer Sicht sollte diese möglichst niedrig sein. Eine Umhausung hätte jedoch den gegenteiligen Effekt: Die Luft rings um die Aggregate würde sich erwärmen mit der Folge, dass sie nicht mehr optimal verdichtet werden kann.

 

Energetische Optimierung durch Fördergelder finanzierbar machen

Doch Aerzen ist nicht nur für die effiziente Gebläsetechnik verantwortlich, sondern stellte auch den Kontakt zwischen der Kläranlage Liebenwalde und der Branchenplattform e.qua her. e.qua ist ein Netzwerk von Kommunalunternehmen der Wasserwirtschaft mit den Themenschwerpunkten Energieeffizienz, Energie(rück)gewinnung sowie Ressourcenmanagement und hat sich insbesondere auch als Fördermittel-Scout einen Namen gemacht. „Viele Kläranlagenbetreiber wissen gar nicht, dass sie für die energetische Optimierung staatliche Zuschüsse beantragen können – und zwar bis zu 80 Prozent. Sogar die Erstellung der Potenzialstudie, die Basis für jeden Fördermittelantrag, wird mit 50 Prozent bezuschusst“, betont e.qua-Geschäftsführer Andreas Koschorreck.

Für die Kläranlage Liebenwalde übernahm e.qua das gesamte Fördermittelmanagement. Durch die Kooperation und Zusammenarbeit von Aerzen und e.qua konnte die Kläranlage Liebenwalde die Investitionen in eine klimafreundliche Abwasserbehandlung überhaupt erst stemmen.

Energiewende auf der Kläranlage

Die Optimierung des Belüftungssystems im Belebungsbecken war dabei nicht das einzige energetische Großprojekt. Auch die Installation einer 100 Kilowatt-Peak Freiflächen-Photovoltaikanlage mit einem Batteriespeicher sowie die Errichtung einer Klärschlamm-vererdungsanlage wurden umgesetzt. Die PV-Anlage besteht aus 334 Modulen mit einer Gesamtfläche von rund 550 Quadratmeter und produziert im Jahr rund 110.000 Kilowattstunden. Damit wird ein Drittel des Stromverbrauchs der Kläranlage aus regenerativen Energieträgern gedeckt – ein wichtiger Beitrag für die Energie- und Treibhausgasbilanz der Region. Auch die neue, zwei Hektar große Klärschlammvererdungsanlage bietet gegenüber der alten maschinellen Eindickungsanlage nennenswerte Vorteile in puncto Klimaschutz. Durch den höheren Trockensubstanzgehalt von 40 Prozent (vorher: 6 Prozent) reduziert sich der Aufwand an Transporten für die Verwertung in der Landwirtschaft um insgesamt 90 Prozent, was sich positiv auf den Kraftstoffverbrauch und die daraus resultierenden Kohlenstoffdioxidemissionen auswirkt. Zudem werden keine Chemikalien mehr benötigt und der Stromverbrauch ist sehr gering.

Vom Energiefresser zum Klimaprimus

Für die Kläranlage Liebenwalde haben sich die Investitionen in die Steigerung der Energieeffizienz und den Einsatz erneuerbarer Energien mehr als ausgezahlt. Nicht nur wurde ein Großteil der Finanzierung dank einer Förderquote von bis zu 80 Prozent von staatlicher Seite übernommen, auch das Ergebnis kann sich sehen lassen. So wurde der Energieverbrauch der Anlage von 40 auf 18 Kilowattstunden EWG pro Jahr gesenkt, also halbiert. Ein Blick auf die CO2-Emissionen ergibt sogar eine Einsparung von 62 Prozent. 186 Tonnen CO2 werden nun pro Jahr direkt beziehungsweise indirekt weniger produziert (CO2-Emissionen vor der Umsetzung der Maßnahmen: 301 Tonnen pro Jahr, danach: 115 Tonnen pro Jahr). Insgesamt lassen sich so Kosteneinsparungen von 61.600 Euro im Jahr erzielen. „Die Modernisierung war genau der richtige Schritt. Mit der energetischen Optimierung haben wir einen echten Quantensprung vollzogen und sind für die Zukunft optimal aufgestellt – auch dank der tatkräftigen Unterstützung durch Aerzen“, resümiert Wolfhard Raasch und hat schon das nächste Ziel vor Augen:

„Wir möchten unabhängig von externen Stromversorgern werden und planen daher den weiteren Ausbau der Photovoltaik. Die Zukunft heißt Energieautarkie.“