KANALISATION

Alternative für Sickermulden

Filterschächte im Untergrund

Bewachsene Mulden sind für die Versickerung des Regenwassers die erste Wahl. Der Reinigungseffekt durch den darunter liegenden Oberboden ist ausreichend, wenn der Niederschlag unbelastet ist. Die Ausführungskosten sind moderat, eine Erlaubnis der Wasserbehörde ist oft nicht erforderlich. Damit haben GaLaBau-Betriebe seit mehr als einem Jahrzehnt ein zusätzliches und wenig kompliziertes Betätigungsfeld. Doch was tun, wenn die Aufgabe vom Regelfall abweicht?

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Ein Sonderfall mit Versickerung ganz ohne Sickermulde ist der Kindergarten St. Martin in Bad Saulgau-Braunenweiler. Im Frühjahr 2020 wurde hier mit dem 2. Bauabschnitt der Kita eine Versickerungsanlage komplett unterirdisch gebaut. Voraussetzung dafür ist nach den strengen baden-württembergischen Anforderungen ein vorgeschalteter, bauartzugelassener Filterschacht.

Alternative Versickerungs-Lösungen

Die Baugrunduntersuchung ergab, dass bis in eine Tiefe von 2 Meter die auf dem Grundstück anstehenden Böden für eine Versickerung von Niederschlagsabflüssen nur eingeschränkt geeignet sind. Das bedeutet Austausch der nicht versickerungsfähigen Bodenschicht, Anlegen einer Mulde mit maximal 30 Zentimeter Einstautiefe und Reinigung des Regenwassers durch die bewachsene Bodenschicht an der Oberfläche. Damit wären allerdings große Teile des Gartengeländes in Anspruch genommen worden. Bei korrekter Planung und Ausführung steht in bewachsenen Mulden spätestens nach 24 Stunden kein Wasser mehr, als Dauer-Spielfläche dürfen sie jedoch auch im trockenen Zustand nicht genutzt werden. Der Boden würde verdichtet, der Bewuchs zertreten. Die schnelle Aufnahmefähigkeit für Wasser und die Reinigungsfähigkeit durch das Zusammenspiel von Organismen und Substrat in den oberen Zentimetern des Mutterbodens wären nicht mehr ideal. Bei Starkregen könnten daraus Überflutungen resultieren oder Überläufe in den Kanal, die in der dann erreichten Dimension weder geplant noch gewünscht sind.

Ein Mulden-Rigolen-System wäre bei einem anderen Gebäude an derselben Stelle die richtige Wahl gewesen. Doch für die Betreiber des Kindergartens war die Entscheidung klar, als die Wahl bestand zwischen Sickermulden oder Spielflächen für die Kinder. Ähnlich bei Einkaufszentren und innerstädtischen Geschäftshäusern: Für Sickermulden ist nicht genügend Platz und meist auch zu wenig Schutz gegeben. Und aus Sicht der Betreiber wird die komplette Oberfläche als Parkplatz für Kunden und Mitarbeiter benötigt. Genau für diese Fälle wurden Filterschächte entwickelt, mit denen Regenabflüsse von Dach- und Verkehrsflächen weitestgehend gereinigt werden können. Haben solche Produkte ein Prüfzeichen des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt), dann werden sie von der unteren Wasserbehörde als geeignet anerkannt, sofern die Planer im Entwässerungsgesuch die gesetzlichen Rahmenbedingungen einhalten und die Bemessung gemäß den Regeln der Technik vornehmen.

Unterirdischer Filterschacht ViaPlus

Im speziellen Fall in Bad Saulgau wird nur das Regenwasser der Dachflächen unterirdisch versickert. Die Dachdeckung besteht aus Ziegel, einem in Hinblick auf die Auslösung von Schadstoffen völlig unbedenklichen Material. Dachrinnen und Fallrohre sind bei dieser Betrachtung von untergeordneter Bedeutung. Dies gilt selbst für die Werkstoffe Kupfer und Zink, die dabei üblicherweise verwendet werden und Schwermetalle in geringer Dosierung abgeben. Wegen der in Baden-Württemberg kritischen Haltung der Wasserbehörden bei Versickerung ohne bewachsenen Oberboden wurde zwischen Dachablauf und unterirdischer Sickerrigole vorsorglich ein „Alleskönner“ eingeplant: der Mall-Substratfilter ViaPlus.

Er kann Schwermetalle herausfiltern, aber auch mineralische Kohlenwasserstoffe und kleinste Partikel wie zum Beispiel Mikroplastik von Reifenabrieb – alles Stoffe, die von stark frequentierten Parkplätzen, nicht jedoch von der Dachfläche der Kindertagesstätte, in relevanten Mengen zu erwarten sind. „Trotzdem die richtige Entscheidung“, meint Dipl.-Ing. Stephan Klemens, Entwicklungsleiter des Herstellers Mall. „Ist laut DIBt-Zulassung das Filtersubstrat bei extremer Beanspruchung durch Regenabfluss von stark frequentierten Verkehrsflächen nach vier Jahren zu wechseln, so kann es bei der Kita in Bad Saulgau wegen der geringen Schadstoffbelastung des Dachwassers um ein Vielfaches länger genutzt werden“.

Ein Betriebsbuch für die Bauherrschaft zum Nachweis ausgeführter Wartungen gehört zum Lieferumfang solcher Filter bei Mall. Es enthält die Betriebs- und Wartungsanleitung, die Zyklen der Wartung (12 Monate) und Eigenkontrollen (3 Monate) sowie Formulare zur Betriebsdokumentation. Ein korrekt geführtes Buch dient als Nachweis des ordnungsgemäßen Betriebs in Bezug auf Durchsatz und Stoffrückhalt gegenüber der Wasserbehörde.

Falls der Betreiber keine sachkundige beziehungsweise eingewiesene Person für die genannten Tätigkeiten stellt, kann er Mall mit dieser Dienstleistung beauftragen. „Eines der Pilotobjekte mit dem Vorgänger dieses Filterschachts“, erinnert sich Klemens, „war ein Neubau des Bundesministeriums für Umwelt in der Stresemannstraße, im Zentrum von Berlin. Das war bereits 2011, nachdem wir erstmals die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für den Substratfilter ViaPlus erhalten hatten“.

Unterirdischer Sickertunnel CaviLine

Das unterirdische Rigolensystem aus Stahlbetonhalbschalen dient der Versickerung von Regenwasser. Es besteht bei der Kita in Bad Saulgau aus vier vorgefertigten Teilen mit je 2,50 Meter Länge, 2,70 Meter Breite und 1,25 Meter lichter Höhe. Das Stauvolumen wird nach dem Arbeitsblatt DWA-A 138 ermittelt. Dafür sind zwei Faktoren entscheidend: Einerseits die im Verlauf eines Starkregens anfallende Wassermenge laut den lokalen Starkregendaten aus dem KOSTRA-DWD-Atlas. Andererseits die Wassermenge, die über die Sickerfläche abgeleitet werden kann. Hierbei ist die Sickergeschwindigkeit im anstehenden Boden, der kf-Wert, entscheidend. Das erforderliche Rigolenvolumen ergibt sich aus der Differenz von Niederschlags- und Versickerungsvolumen bei vorgegebener Jährlichkeit des Regenereignisses.

Modulartig aneinandergereiht werden die Elemente direkt auf circa 15 Zentimeter sickerfähigen Kiessand oder auf Split 2/8 Millimeter gesetzt. Bevor die Verfüllung beginnt, wird die gerundete Oberseite des Tunnels mit Geotextil abgedeckt, der Domschacht für den Einstieg bis zur Geländehöhe aufgesetzt und die Zulaufleitung vom Filterschacht zum Sickertunnel verlegt. Bei der Kita in Bad Saulgau waren dank guter Vorbereitung und reibungslosem Ablauf sämtliche Fertigteile des Filters und des 10 Meter langen Sickertunnels in zwei Stunden versetzt und mit den erforderlichen Leitungen verbunden. Dies haben ein Baggerführer und zwei Mitarbeiter des städtischen Bauhofs erledigt.

 


Hohlkörperrigolen, flach und oberflächennah

Laut Herstellerangaben ist das Besondere und der Grund zur Entwicklung dieses im Jahr 2020 neu auf den Markt gekommenen Produktes CaviLine seine flache und oberflächennahe Bauweise. Die zylindrischen, liegenden Halbschalen ergeben ein sehr gutes Verhältnis zwischen Hohlkörpervolumen und Sickerfläche. Das bedeutet günstige Baukosten. In Kombination mit Behandlungsanlagen, wie zum Beispiel ViaPlus, eignen sich solche Sickertunnel als „Linienentwässerung“ von Dach- und Verkehrsflächen. Sie könnten sogar wie Kanäle unmittelbar und in beliebiger Länge unter Straßen eingebaut werden – und das mit relativ geringer Überdeckung, also mit wenig Aushub nahe an der Oberfläche.

Hohlkörperrigolen des Typs CaviLine haben gegenüber den gebräuchlichen Füllkörperrigolen Vorteile durch den Werkstoff Stahlbeton. Sie sind damit statisch bestimmt, standsicher, bis SLW 60 belastbar und kommen auch bei großen Hohlräumen ohne innere Aussteifungen aus. Die Innenhöhe von 1,25 Meter gilt nach der Definition der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) als „begehbar“. Die Inspektion ist damit unkompliziert, braucht keine spezielle technische Ausrüstung, keine Kamerabefahrung. Der Einstieg, falls nötig, erfolgt durch den Domschacht. Nicht erforderlich ist eine regelmäßige Wartung, sie beschränkt sich auf den Filterschacht.

Autor


Klaus W. König