SCHUTZSYSTEME

Automatischer Probennehmer

 

SARS-CoV-2-Analyse in Kläranlagen

Seit kurzem empfiehlt die Europäische Union ihren Mitgliedsstaaten ein Abwassermonitoring als Corona-Frühwarnsystem. Bislang war die Technik dafür noch nicht ausgereift. Gemeinsam mit seinem Tochterunternehmen Analytik Jena hat Endress+Hauser nun ein Nachweisverfahren entwickelt, das direkt und schnell zur SARS-CoV-2-Analyse in Kläranlagen eingesetzt werden kann.

Auch über ein Jahr nach dem Start der Corona-Pandemie bleibt das wahre Infektionsgeschehen oft im Dunkeln: Durch lange Meldeketten bilden offizielle Statistiken das Ausmaß der Verbreitung kaum aktuell ab. Zudem verlaufen viele Infektionen asymptomatisch, so dass neue Hotspots oder Gefahren durch Virusvarianten lange unentdeckt bleiben. Abhilfe könnte hier der gezielte Blick in die Kläranlagen eines Landes schaffen. Infizierte scheiden Viruspartikel aus, die sich mit der PCR-Technologie immer noch nachweisen lassen, aber im Abwasser nicht mehr infektiös sind. Systematische Abwasseruntersuchungen können somit Daten liefern, die indirekten Massentests gleichkommen und damit als Ergänzung zu nationalen Teststrategien ein genaueres Bild des tatsächlichen Infektionsgeschehens ergeben.

Dass Abwasseranalysen zur SARS-CoV-2-Detektion funktionieren, haben Forschungen bereits gezeigt. So wiesen im März letzten Jahres Mikrobiologen im niederländischen Amersfoort Virenpartikel im Abwasser fast eine Woche vor der ersten offiziellen Corona-Fallmeldung nach. In der Schweiz steckte das mutierte Coronavirus aus Großbritannien zwei Wochen vor dem ersten Patientennachweis in einer Abwasserprobe. Auch aufgrund dieser Erfahrungen empfiehlt die Europäische Union seit Ende März ihren Mitgliedsstaaten, SARS-CoV2 und seine Varianten systematisch im Abwasser zu überwachen. Bis Anfang Oktober 2021 sollen die Länder nationale Abwasserüberwachungssysteme einrichten, die Kläranlagen mit mehr als 150.000 Einleitern einschließen.

Um alle Herausforderungen zu meistern, bietet Analytik Jena eine effiziente Workflow-Lösung für den Nachweis von SARS-CoV-2 im Abwasser an. Quelle: Analytik Jena

Für die Etablierung eines Frühwarnsystems bedarf es ausreichende Analysekapazitäten und bislang war die Analyse auch wegen der aufwändigen Schritte nur spezialisierten Laboren vorbehalten. Daher haben Endress+Hauser und Analytik Jena nun ein Verfahren entwickelt, mit dem die Virenlast im Abwasser einfach bestimmt werden kann – und zwar direkt auf den Kläranlagen selbst und das innerhalb von drei Stunden. Es ermöglicht damit abwasserbasierte Epidemiologie und eine Echtzeit-Überwachung der öffentlichen Gesundheit.

Das Verfahren beruht auf der Real-Time-Polymerase-Kettenreaktion (Real-Time-PCR). Diese Labormethode hat sich als Standard für den direkten und hochsensitiven Nachweis von SARS-CoV-2 in der Forschung und im klinischen Umfeld bewährt. Mit ihr lässt sich auch die in der RNA (Ribonukleinsäure) enthaltene Erbinformation des neuartigen Coronavirus im Abwasser nachweisen. 2020 unterstützten Analytik Jenas Real-Time PCR-Thermocycler der qTOWER³ Serie bereits eines der ersten SARS-CoV-2 Abwasser-Screenings in Japan. Auf dem Weg zur Detektion gibt es jedoch einige Hürden. „Es braucht zuerst eine repräsentative Abwasserprobe“, erklärt Dr. Achim Gahr, Business Development Manager bei Endress+Hauser Liquid Analysis. „Diese bewegt sich allerdings im Literbereich und ist sehr komplex zusammengesetzt. Für die Real-Time-PCR muss sie speziell aufbereitet und ihr Volumen muss massiv verkleinert werden.“

Damit all diese Schritte auch auf Kläranlagen machbar sind, hat das Unternehmen und Analytik Jena fast die gesamte notwendige Prozesskette von der Probennahme über die Probenanreicherung und Nukleinsäureextraktion bis hin zum Real-Time-PCR-Nachweis teilautomatisiert. Verschiedene Geräte beider Unternehmen kommen dabei zum Einsatz.

Den Anfang macht der automatische Probennehmer Liquistation CSF48 von Endress+Hauser. Er entnimmt dem Kläranlagen-Zustrom im Lauf eines Tages immer wieder Wasser: Denn die ankommende Menge schwankt je nach Wetter und Uhrzeit – was sich jeweils auf die Konzentration der Virenreste auswirkt. So entsteht eine 24-Stunden-Mischprobe. Dank der Automatisierung werden repräsentative Proben über einen längeren Zeitraum in großer Menge und unter stets gleichen Bedingungen gesammelt, was der Reproduzierbarkeit der Ergebnisse zugutekommt.

Anschließend wird die stark verdünnte Probe aufbereitet. Dazu werden 100 Milliliter Wasser entnommen und gefiltert. Die Virenreste werden dabei an den Filter gebunden – und danach mit einem Milliliter Wasser wieder von ihm gelöst. Durch diesen Schritt ist die Konzentration der Viren-Fragmente in der Probe erhöht. Die Homogenisierung der Filtermembran erfolgt mit der SpeedMill PLUS von Analytik Jena, einem der wenigen Geräte zur Probenhomogenisierung im Markt, das eine vollständige und reproduzierbare Probenhomogenisierung bei geringem Platzbedarf ermöglicht.

Die so erzeugte partikelfreie Probe wird dann in den InnuPure C16 touch von Analytik Jena gegeben. Er kann bis zu 16 Proben gleichzeitig bearbeiten und in Kombination mit dem innuPREP AniPath DNA/RNA Kit-IPC16 aus den Viren automatisiert deren Erbinformation gewinnen. Die extrahierte RNA findet sich nun in einer Probe von 100 Mikrolitern und kann somit mit Real-Time-PCR analysiert werden. In einem Gerät der qTOWER³-Familie von Analytik Jena werden dazu die RNA-Sequenzen in einem thermisch geregelten Prozess mit Hilfe eines Enzyms vervielfältigt. Schon während der Laufzeit zeigt sich, ob die Probe die gesuchte RNA enthält. Je früher sie detektiert wird, desto höher ist die Virenlast.

Endress+Hauser und Analytik Jena haben das Verfahren gemeinsam mit Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV) entwickelt. Es wurde auf einer der Kläranlagen des Verbandes erprobt. Die jetzt etablierte Technologie weist zudem neue Wege, die weit über die Bekämpfung der Corona-Pandemie hinausweisen: Dem Abwasser können so weitere gesundheitsrelevante Daten abgewonnen werden, beispielsweise zu antibiotikaresistenten Keimen.