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 Parallele Brauch- und Trinkwassererzeugung 

Innovatives Konzept für duale Kleinwasserwerke

Nachdem auch in Europa in immer mehr Regionen das Wasser knapp wird, werden auch in Deutschland Technologien interessant, die ursprünglich nur für Problemregionen gedacht waren. IEEM, das Institut für Umwelttechnik an der Universität Witten/Herdecke, hat im Rahmen eines vom BMBF geförderten Vorhabens ein neues Konzept für Kleinwasserwerke entwickelt. Das soll dort helfen, wo eine natürliche Wasserquelle alleine nicht mehr ausreicht. Das Kleinwasserwerk soll aus mehreren Wasserquellen gespeist werden („multi fed“) und Grundwasser, Oberflächenwasser, Regenwasser sowie gegebenenfalls auch aufbereitetes Abwasser verarbeiten können, je nach Klima, momentaner Verfügbarkeit und Bedarf.

Nachdem der größte Teil des Versorgungswassers zum Waschen, Reinigen und so weiter gebraucht wird, lohnt es sich bei Wasserknappheit, (allein schon aus Versorgungsgründen) Brauch- und Trinkwasser parallel zu produzieren („dual water“). Deshalb hat IEEM das als MFDWS (Multi Fed Dual Water System) bezeichnete Technologiekonzept entwickelt und an drei Pilotanlagen im Mekong Delta getestet, in Zusammenarbeit mit dem Industriepartner Wilo/Martin Systems. Der Projektleiter Prof. Dr. mult. Karl Rudolph erwartet eine wachsende Nachfrage für diesen neuartigen Anlagentyp: „Das betrifft nicht nur die Küstenregionen und Flussdeltas, sondern alle Gebiete, bei denen die zentralen Systeme nicht funktionieren. Dazu zählen, neben den von Krieg und Unruhen geplagten Ländern, auch jene Städte, in denen die zentrale Wasserversorgung in der Realität nicht oder nicht zuverlässig liefert – sei es aus technischen Gründen oder schlicht aufgrund von Staatsversagen“.

ViWaT ist das größte deutsch-vietnamesische Forschungsprojekt und wird von den zuständigen Ministerien beider Länder gemeinsam getragen (BMBF in Deutschland und MOST in Vietnam). Die Ruhr-Universität Bochum verantwortet den Teil „Planung“, die Universität Karlsruhe den Teil „Engineering“ und IEEM, das Umweltinstitut an der Universität Witten/Herdecke, verantwortet den Teil „Betrieb“. Zum letztgenannten Teil, gehört ein Arbeitspaket, welches Kleinwasserwerke für die vielen Menschen in abgelegenen Gebieten des Mekongdelta entwickelt, die über zentrale Versorgungsnetzte nicht erreichbar sind.

In Folge jahrelanger Überbeanspruchung der Grundwasserreserven und der schweren Dürreperioden, aber auch durch zunehmende verschmutzte Abwassereinleitungen in die Gewässer fehlt es vielerorts an sauberem Rohwasser. Die pilotierten Kleinwasserwerke müssen dort Versorgungswasser aus gering verschmutztem Regenwasser, verschmutztem Grundwasser und aus stark verschmutztem Flusswasser produzieren. Soweit möglich soll das Grundwasser geschont werden, weil die verfügbaren Reserven zu Neige gehen und die Grundwasserabsenkung im Mekong-Delta zu dauerhafter Versalzung der Böden und Bodenabsenkung mit enormen Schäden an Bauwerken und Natur führen wird.  

Deswegen wurde im Rahmen des Forschungsvorhabens ViWaT-Operation ein variables Konzept entwickelt. Je nach Saison, Standort und momentanen Verhältnissen wird das vergleichsweise saubere Regenwasser verwendet. Des Weiteren wird je nach momentaner Bedarfssituation und Verschmutzung das Oberflächenwasser zusätzlich genutzt und erst danach das Grundwasser. Zudem kann auch Abwasser zur Wiederverwertung aufbereitet werden (was im Falle einer Shrimpfarm für die Teiche zur Aufzucht sehr empfindlicher Baby-Shrimps unter Einhaltung der notwendigen Qualitätsstandard gelungen ist).

Für die Kleinwasserwerke wurde von Anfang an auf automatisierungsfähige mechanisch-physikalische Verfahren gesetzt und auf chemische oder biologische Komponenten verzichtet. Herzstück der Anlage ist ein Ultrafiltrationsmodul mit vorgeschaltetem Schutzfilter. Für den Einsatz unter robusten Arbeitsbedingungen wurde das bereits für Fern-Überwachung und -Wartung vorbereitete Gerät verwendet, der sogenannte „Aquacube“ der Firma  Wilo/Martin Membrane-Systems, welcher an die lokalen Anforderungen angepasst und mit einer UV-Bestrahlung zur Wasserdesinfektion ausgestattet wurde.

Aufgrund der ungünstigen Belastungskombination mit Eisen/Mangan, Salz und organischen Verunreinigungen (gemessen als TOC) wurde an einem der drei Pilotstandorte eine zusätzliche Vorreinigung installiert (bestehend aus einer bewusst einfach konstruierten Fall-Belüftung mit einem gravitär durchflossenen Mehrschichtfilter, der von lokalen Handwerksbetrieben nach Konstruktionsvorlage aus Witten gefertigt worden ist).

Zur Entsalzung des Rohwassers bei Trockenzeiten ließ es sich an zwei der drei Standorten nicht vermeiden, eine Umkehrosmose zur Nachreinigung des ansonsten sauberen Wassers aus dem Aquacube einzubauen. Die hohen Betriebskosten durch diese Umkehrosmose (RO) werden dadurch reduziert, dass das Trinkwasser mit separatem Zapfhahn nur für Trinkwasserzwecke verfügbar gemacht und das Brauchwasser (ohne nachgeschaltete RO-Behandlung) durch einen anderen Zapfhahn angeboten wird. Die RO-Anlage läuft also nur dann, wenn der Salzgehalt die zulässigen Werte ansonsten überschreiten würde, und nur für den Teilstrom, der tatsächlich für Trinkwasser abgerufen wird. Diese Konstellation hat sich im Betrieb bewährt.

Das Konzept einer dualen Wasserversorgungsanlage, die Trinkwasser und Brauchwasser gleichzeitig erzeugt („dual water system“) und zudem nicht nur auf eine, sondern auf mehrere, unterschiedliche Rohwasservorkommen zurückgreifen kann („multi fed“), bezeichnet IEEM als MFDWS (Multi Fed Dual Water System).

Weil nicht nur im Mekong Delta, sondern auch in vielen anderen Regionen der Welt ähnliche Notwendigkeiten bestehen beziehungsweise entstehen, erwartet IEEM eine wachsende Nachfrage für diesen neuartigen Anlagentyp. Das betrifft laut Prof. Dr. mult. Karl Rudolph nicht nur die Küstenregionen und Flussdeltas, sondern auch Gebiete im Inland, die von einer Versalzung der Binnengewässern betroffen sind. Zudem werde der Bedarf an MFDWS-Anlagen auch in jenen Regionen zunehmen, wo zentrale Systeme nicht passen. Das gälte nicht nur für die von Krieg oder Unruhen geplagten Länder, sondern auch dort, wo zentrale Anlagen in der Realität nicht oder nicht zuverlässig genug funktionieren - sei es aus technischen Gründen oder schlicht durch staatliches Versagen. Denn dort wollen die Verbraucher, die auf sichere Wasserversorgung angewiesen sind, ihr eigenes dezentrales Kleinstwasserwerk haben – und sei es auch nur, um sich im Falle einer Störung autonom selbst-versorgen zu können. Schon seit Jahrzehnten gäbe es in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern in jedem besseren Hotel zur Sicherheit eigene Wasserspeicher und bei den größeren und besseren Spitzenhotels fast immer eine eigenes Wasseraufbereitungssytem, dem der Hotelmanager und seine Kunden vertrauen könnten.